Burnout: Woher die totale Erschöpfung wirklich kommt

Beitrag von Dr. med. Mirriam Prieß, Unternehmenscoach für Konflikt- und Stressmanagement
(31. März 2015) Laut Stressbericht 2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fühlt sich mittlerweile jeder fünfte deutsche Beschäftigte im Job überfordert und 43 Prozent der Deutschen beschweren sich über zunehmenden Stress am Arbeitsplatz. Auch die Zahlen scheinen dies zu belegen. Fielen 2004 noch durchschnittlich 4,6 Krankheitstage pro Tausend Versicherte auf die Diagnose Burnout, waren es 2013 schon fast 76 Tage. Doch was ist der Grund dafür, dass sich immer mehr Menschen erschöpfen? Und worauf muss jeder Einzelne von uns achten?

Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass diejenigen, die unter einem Burnout leiden, überlastet sind. Menschen, die ausbrennen, brennen nicht aus, weil sie zum Beispiel 80 Stunden pro Woche arbeiten. Sie brennen aus, weil sie ein Leben führen, was eigentlich ihrem Wesen widerspricht. Sie funktionieren, anstatt zu leben. Man kann also festhalten: Es ist nicht die Quantität, die uns erschöpfen lässt, sondern die fehlende Qualität.

Beziehung als Schlüsselfaktor

Beziehungen spielen eine zentrale Rolle in der Entstehung von Burnout. Dieser Aspekt ist lange Zeit übersehen worden. Menschen, die unter einem Burnout leiden, weisen folgendes Merkmal auf: Sie haben den Dialog zu sich und ihrer Umwelt verloren. Diejenigen, die ausgebrannt sind, besitzen entweder keine sozialen Kontakte mehr oder befinden sich in überwiegend konfliktreichen Beziehungen - und jeder der Betroffenen hat die Beziehung zu sich selbst verloren. Wer aber mit sich nicht in Beziehung steht, der kennt auch sein Maß nicht und hat somit nicht die Möglichkeit, an der richtigen Stelle Ja und an der richtigen Stelle Nein zu sagen.

Dialog als Basis

Grundlage für eine gute Beziehung ist der Dialog. Dieser zeigt, dass man der Welt und dem Leben offen auf Augenhöhe begegnet. Im Dialog zu sein heißt nicht, immer gleicher Meinung zu sein, wohl aber dazu in der Lage zu sein, sich über alles offen auszutauschen. Somit auch die Fähigkeit zu haben, seinem Gegenüber - unabhängig von Position, Status, Alter und Geschlecht - auf Augenhöhe zu begegnen. Letztendlich ist das Wort Dialog bekannt, die wenigsten sind dazu jedoch tatsächlich fähig. Die Fähigkeit des äußeren Dialoges setzt die Fähigkeit zum inneren Dialog voraus. Das heißt: Sein inneres Gleichgewicht gefunden zu haben, zu wissen, was dem eigenen Wesen entspricht und in Anerkennung der äußeren Lebensrealitäten danach zu handeln. Diejenigen, die sich erschöpfen, sind dazu nicht in der Lage.

Gründe für Dialogverlust

Wer im Dialog sein will, muss sich selbst auch in seinen Schwächen auf Augenhöhe begegnen können. Viele Menschen, vor allem auch Führungskräfte, können dies nicht - im Gegenteil. Entweder verurteilen sie sich für ihre Schwächen oder sie verleugnen diese, anstatt einen konstruktiven Umgang damit zu finden.

Jeder ist nur so stark, wie schwach er ist. Je mehr man die Augen vor den eigenen Schwächen verschließt, umso schwächer wird man. Dialogfähigkeit setzt also innere Stärke voraus. Nur wer sich selbst begegnen kann, kann offen für andere Menschen sein. Und je schwächer man ist, umso mehr muss man sich verschließen.

Die eigene Welt als Maßstab nehmen

Menschen, die sich erschöpfen, erschöpfen sich auch daran, dass sie die eigene Welt als Maßstab nehmen. Sie können keine gesunden Kompromisse schließen. Diese Fähigkeit besitzen nur diejenigen, die dazu in der Lage sind, zu unterscheiden, was für sie wesentlich notwendig ist und was vielleicht „schön zu haben wäre". Dies ist nur möglich, wenn man mit sich im Dialog steht. Vielen, die ausbrennen, fehlt die Fähigkeit, gesunde Kompromisse zu schließen. Genauso wenig sind sie dazu in der Lage, an der richtigen Stelle nein zu sagen. Ein zentraler Grund, den Dialog zu verlieren ist auch immer die Angst vor Beziehungsverlust. Menschen, die ausbrennen, weisen ein zentrales Merkmal auf: die Sucht nach Harmonie. Diese ist durch die falsche Überzeugung gekennzeichnet, dass ein eigenes „Nein" zu dem Gegenüber auf dessen Seite zu einem Beziehungsabbruch führt. Anstatt im Dialog auf Augenhöhe sich selbst zu vertreten, ziehen die Betroffenen sich zurück, beginnen sich selbst zu unterdrücken und sich den Umständen zu fügen. Erst wer zu sich selbst klar „Ja" sagt, wird auch dazu in der Lage sein, im außen Nein zu sagen. Und nur wer „sich selbst hat", ist stark genug, „verlassen" zu werden und kann am Ende die Erfahrung machen, dass die Angst vor Beziehungsverlust in den meisten Fällen unbegründet ist.

Grenzen akzeptieren

Doch es gilt nicht nur im Dialog mit dem Umfeld zu sein, sondern auch mit dem Leben. Viele Menschen brennen aus, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass das Leben nicht immer gerecht ist. Sie können nicht annehmen, dass nicht alles im Leben möglich ist - auch wenn wir es noch so sehr wollen. Die Fähigkeit dazu ist aber eine grundlegende Voraussetzung für ein gesundes und leistungsstarkes Leben. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich von dem zu verabschieden, was nicht oder nicht mehr möglich ist.

Was können konkret Unternehmen tun?

Für Unternehmen gilt dasselbe Prinzip wie für das „Unternehmen Mensch". Dort, wo der Dialog verloren geht, hält die Erschöpfung Einzug - früher oder später. Nur Manager, die es vermögen, sich selbst zu führen, sind in der Lage, auch andere erfolgreich zu führen und zu motivieren. Führungskräfte können ihre Mitarbeiter nur soweit bringen, wie weit sie selbst sind. Wenn Unternehmen also buchstäblich gesund bleiben wollen, dann haben sie auch für eine gesunde Unternehmenskultur zu sorgen, in der der Dialog auf Augenhöhe ein alltägliches Selbstverständnis ist. Dies setzt nicht nur mündige Mitarbeiter voraus, sondern vor allem auch dialogfähige Führungskräfte. Führungskräfte, die wissen, wer sie selbst sind und das Selbstbewusstsein haben, „über den eigenen Tellerrand" hinweg zu blicken und auf dieser Grundlage ihren Mitarbeitern offen auf Augenhöhe begegnen. Anstatt sich selbst zum Maßstab zu nehmen und die Mitarbeiter durch Grenzenlosigkeit zu erschöpfen, bestimmt der Dialog hier das Miteinander. Auf dieser Basis wird nicht nur das Handeln um die Sache selbstverständlich, sondern auch Leistungskraft, Innovation und Wachstum.

http://www.huffingtonpost.de/mirriam-priess/zivilisationskrankheit-burnout-woran-menschen-sich-erschoepfen_b_6969796.html?utm_hp_ref=wirtschaft

 

Buchempfehlung – 'Entschuldigen Sie, wer bin ich? Wege aus dem Lost-Sense-Syndrom zurück in die eigene Identität'

(30. März 2015) Ein kleiner, unscheinbarer Moment im Alltag: Ein Spaziergang, früher genossen, wird zum mechanischen Abschreiten einer Wegstrecke. Ein Lied, das unser Herz höher schlagen ließ: Nur noch eine Abfolge von Tönen. Wolfgang Blohm, ärztlicher Leiter einer Klinik für Hypnotherapie, verortet hier die gemeinsame Wurzel verschiedenster seelischer Erkrankungen, die den Krankenstand aufgrund psychischer Ursachen in den letzten Jahren haben explodieren lassen. „Lost-Sense-Syndrom“ nennt der Psychotherapeut die anfängliche Selbstentfremdung in seinem neuen Buch „Entschuldigen Sie, wer bin ich?“.

Seine ermutigende Botschaft: Auch in einer beschleunigten Kultur, in der eine schnelle Lösung in Form von Psychopharmaka zur gängigen Praxis gehört, können wir uns als mündige Menschen Inseln des Selbsterlebens zurückerobern, die uns wieder mit unserem Kern verbinden - wenn es gelingt, seelische Botschaften wahrzunehmen und zu beherzigen, bevor sie als Erkrankung Form annehmen. Was sich dabei in seiner therapeutischen Praxis als hilfreich erwiesen hat, bringt Blohm ebenso auf den Punkt wie seine Kritik an einer Medizin, die teilweise das Wohl des Menschen aus dem Blick verloren hat.

Die Zahl der Menschen mit seelischen Erkrankungen hat sich in Deutschland während der letzten zehn Jahre mehr als verdoppelt. Stress ist allgegenwärtig. Und eine Fassade, die einen in allen Lagen souverän erscheinen lässt, gilt vielen in Zeiten der Selbstoptimierung als unverzichtbarer Pluspunkt der eigenen Lebenstauglichkeit. Doch was verbirgt sich dahinter? Wolfgang Blohm ist der Auffassung, dass die am häufigsten diagnostizierten psychischen Krankheitsbilder ein vorgelagertes Stadium vereint, das alle Menschen betrifft: Die Gefahr, den Kontakt zu sich und den eigenen Sinnen zu verlieren. Bemerkbar machen kann sich dies als ein vages Gefühl des Unbehagens und der Fremdheit, das im Trott der zu bewältigenden Alltagsaufgaben rasch beiseitegeschoben wird.

Eine mögliche Folge: Das Entscheiden in eigentlich banalen Situationen gerät zunehmend zu einem komplizierten Konstrukt, das nicht mehr nach Gefühl, sondern nur noch nach Abwägung zahlreicher Argumente vonstattengehen kann. Allmählich verabschiedet sich die altbekannte Sicherheit. Gefühle verblassen. In diesem Stadium der Entwicklung des Lost-Sense-Syndroms treten zunehmend Angstsymptome auf, die neben der Gefühlsebene auch weitere Organbereiche betreffen können.

„Angemessene und wirklich authentische Maßstäbe zur Gestaltung des eigenen Lebens lassen sich nur in der eigenen Mitte zuverlässig finden“, ist Blohm überzeugt. Ist diese nicht mehr zugänglich, kann das zunächst durch immer größere Anstrengungen kompensiert werden. Eine Spirale, die über längere Zeit in Aussichtslosigkeit und Erschöpfung führt. Blohm beschreibt, wie Umwälzungen in Familie, Beruf und Mediennutzung dieser Entwicklung Vorschub leisten: So glänzend und so allgegenwärtig ist die Verheißung eines rundum spaßigen Lebens, dass Langeweile kaum noch tolerierbar ist.

Ewige Leichtigkeit - die Latte hängt hoch. Mit dem Bedürfnis, der vorgegaukelten „Norm“ gerecht zu werden, wächst die Verführbarkeit durch Werbebotschaften, die ein Produkt als Lösung anpreisen. Was bleibt, ist immer wieder die Enttäuschung, dass das eigene Erleben nicht Schritt halten kann mit dem Suggerierten. „Unterschwellig taucht dann immer häufiger das Gefühl auf, zu dieser heilen und lustvollen Welt keinen Zutritt zu haben“, so Blohm. Auch in der Medizin treiben Normen seltsame Blüten: Angehörigen, die nach einem Trauerfall betrübt sind, werden beispielsweise nur noch drei Monate zugestanden - danach greift die Diagnose „Depression“. Mit entsprechender pharmakologischer Behandlung. „Durch die Einnahme werden die Gefühle weiter verfremdet, eine Re-Orientierung kann kaum noch gelingen. Das dient der Industrie, hält den Menschen aber krank“, konstatiert der Mediziner.

Blohms Antwort besteht darin, Gefühle wieder als System der inneren Wahrnehmung wertschätzen zu lernen. Gefühle seien angebunden an das innere Archiv, in dem alle Erlebnisse gespeichert sind: ein ständig wachsendes Reservoir mit schier unbegrenzten Fähigkeiten zur Problemlösung, zur Lebensgestaltung und zur Orientierung. Mit Übungen, die im Buch vorgestellt werden, kann die Gefühlswahrnehmung immer filigraner, das Empfinden auf körperlicher Ebene immer besser in einen Zusammenhang gebracht werden. „Informationen aus der inneren Mitte spüren, nutzen, analysieren, Änderungen planen und einleiten. Das hält gesund“, resümiert Blohm.

Entschuldigen Sie BuchcoverWolfgang Blohm, Entschuldigen Sie, wer bin ich? Wege aus dem Lost-Sense-Syndrom zurück in die eigene Identität, 220 Seiten, Broschur, 17,95 EUR

Verlag J.Kamphausen, ISBN 978-3-89901-900-1

Auch als E-Book erhältlich

Deutsche Unternehmen fürchten um ihre besten Mitarbeiter

24. März 2015. 73 % aller HR-Manager sind besorgt, ihre besten Fachkräfte im Laufe des Jahres an die Konkurrenz zu verlieren. Eine höhere Vergütung ist zwar wichtig, aber nicht die Hauptmotivation für den Arbeitsplatzwechsel. Am meisten befürchten die Studienteilnehmer, dass ihre Mitarbeiter aufgrund besserer Karrierechancen wechseln. Dies ist ein Ergebnis der aktuellen Arbeitsmarktstudie im Auftrag des Personaldienstleisters Robert Half, an der 200 HR-Manager in Deutschland teilnahmen.

Bessere Karriereaussichten in anderen Unternehmen sind für 33 % aller HR-Manager die Hauptmotivation ihrer Mitarbeiter für einen Arbeitsplatzwechsel. Für 27 % der Personalverantwortlichen ist eine bessere Work-Life-Balance der primäre Antrieb ihrer Fachkräfte für einen Unternehmensaustritt. Erst auf dem dritten Platz (22 %) landet eine höhere Vergütung inklusive Boni und Zusatzleistungen als Kündigungsgrund. Eine passendere Unternehmenskultur oder die Beziehung zum Führungsteam scheinen vergleichsweise weniger wichtig zu sein – nur 5 % bzw. 4 % der HR-Manager nennen diese Faktoren als Kündigungsgrund ihrer Mitarbeiter.

Kündigungsgrund Nr. 1 in kleineren Unternehmen: Work-Life-Balance
Mit Blick auf die Unternehmensgröße zeigt die Studie, dass ein möglicher Karrieresprung besonders Arbeitnehmer aus Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern zum Jobwechsel bewegt. HR-Manager von kleineren Unternehmen (50 – 499 Mitarbeiter) sehen eine bessere Work-Life-Balance bei anderen Arbeitgebern als Hauptgrund für den Unternehmensaustritt ihrer Mitarbeiter (32 %). Außerdem sorgen sie sich mehr um die Vergütung (24 %) als die Kollegen aus mittleren und großen Unternehmen (je 21 bzw. 20 %).

 
Checkliste: Die wichtigsten 6 Tipps für die Mitarbeiterbindung

Karriereperspektiven:
Entwickeln Sie für jeden Mitarbeiter einen individuellen, klaren Karriereweg. Prüfen Sie die Entwicklung in regelmäßigen Feedbackgesprächen, idealerweise in vierteljährlichen Abständen und jederzeit bei Bedarf.


Work-Life-Balance:
Analysieren Sie zuerst, was dies für Ihre Mitarbeiter bedeutet. Haben viele Ihrer Mitarbeiter einen langen Arbeitsweg? Home Office-Angebote könnten das Problem lösen. Gibt es junge Eltern im Unternehmen, die versuchen Job und Familie unter einen Hut zu bringen? Prüfen Sie Möglichkeiten einer Kinderbetreuung, bspw. einen Firmenkindergarten.  


Vergütung:
Überprüfen Sie regelmäßig Gehälter, Boni und Zusatzleistungen im Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Robert Half Gehaltsübersicht bietet beispielsweise die Gehaltsspannen für über 100 Berufe im Finanz- und Rechnungswesen, IT- und kaufmännischen Bereich.


Unternehmensstandort:
Bieten Sie Fahrkostenzuschüsse, Firmenwägen oder auch Home Office an, um die wöchentliche Pendelzeit der Mitarbeiter zu verringern. Wenn keine Kantine vorhanden ist, finden Sie vielleicht ein Restaurant, das Lunchpakete ins Büro liefert.


Unternehmenskultur:
Machen Sie Ihren Mitarbeitern deutlich, was die Unternehmenswerte und -ziele sind. Zeigen Sie den Mitarbeitern ihre Wertschätzung, etwa auf Weihnachtsfeiern oder mit Bonuszahlungen für ein gut gelaufenes Projekt.


Beziehung zu Führungspositionen:
Etablieren Sie eine gute Feedback-Kultur, in der Mitarbeiter offen über Probleme sprechen können und in Entscheidungen einbezogen werden.

Über die Arbeitsmarktstudie
Die von Robert Half entwickelte Arbeitsmarktstudie wird jährlich in 12 Ländern erhoben: Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, Niederlande, Österreich, Schweiz, Vereinigte Arabische Emirate. Die Befragung wurde im Dezember 2014 von einem internationalen, unabhängigen Meinungsforschungsinstitut unter 200 HR-Managern in Deutschland durchgeführt.
Quelle: http://www.roberthalf.de/presse

Volkskrankheit Burnout: Finanzbranche ist Spitzenreiter

19. März 2015. Es fing mit Schlafstörungen und mangelndem Antrieb an. Es folgten Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Erschöpfung und das Gefühl völliger Überlastung. Am Schluss wurde selbst das Telefonieren zur Qual: Jürgen N., Handelsvertreter und Generalagent einer deutschen Versicherung, dessen tägliches Brot die Kommunikation ist, zog sich nach und nach von seinen Mitmenschen zurück. Nur zwei Jahre nachdem er die höchste Auszeichnung für seine Leistungen erhielt, meldete sich der 42-Jährige für längere Zeit krank. Die Diagnose: Erschöpfungsdepression. Burnout.

Immer mehr Menschen brechen unter dem Druck, in kürzester Zeit immer mehr und komplexere Aufgaben bewältigen zu müssen, zusammen. Besonders in der Finanzbranche ist das oft der Fall. „Wenn es so weitergeht, wird Burnout in fünf bis sieben Jahren die Krankheit Nummer eins sein“, sagt Klaus Grünewald, Fachbereichsleiter Banken und Versicherungen bei der Gewerkschaft Verdi.

So wandte sich in den 90er Jahren gerade einmal ein ausgebrannter Mitarbeiter jährlich an ihn, berichtet der Arbeitnehmervertreter. Mittlerweile aber werde er fast jede Woche mit diesem Problem konfrontiert. Auch Gert Kaluza, Leiter des GKM-Instituts für Gesundheitspsychologie, hat im Rahmen seiner Seminare zur Stressbewältigung häufig mit Banken und Versicherungen zu tun. „20 bis 30 Prozent meiner Klienten kommen aus der Finanzbranche“, sagt er.

Trotz des häufigen Auftretens ist Burnout ein Tabuthema in der Finanzwelt. Dabei sind es oft gerade die Leistungsstarken, die dieser Krankheit zum Opfer fallen. Wie Jürgen N., der zu den besten Außendienstmitarbeitern seiner Organisationseinheit zählte und seinen Kunden „immer das Bestmögliche“ bieten wollte.

Der Weg in das Burnout-Syndrom beginne oft mit einer Phase idealistischen Überengagements, erklärt Psychologie- Professor Matthias Burisch. Die Betroffenen stürzen sich hoch motiviert in ihre Aufgaben. Erst wenn die erhoffte Anerkennung dauerhaft ausbleibt, beginnt die Ausbrennphase, die mit Leistungsabfall und körperlichen Beschwerden einhergeht.

Den Status einer Krankheit hat Burnout nicht, da es im Krankheits-Klassifikationssystem der Weltgesundheitsbehörde ICD-10 nicht als offizielle Diagnose auftaucht. Daher weichen Ärzte und Psychologen auf die Diagnose Depression aus. „Burnout ist letztlich eine Erschöpfungsdepression“, erklärt Kaluza.

Viele Betroffene meiden diesen Begriff jedoch, weil sie die Depression im klinischen Sinne mit der Niedergeschlagenheit verwechseln. Zu Unrecht. Denn neben gedrückter Stimmung, Antriebsschwäche und geringem Selbstwertgefühl, die für Niedergeschlagenheit typisch sind, zeigen Depressive weitere Symptome wie Verlust von Freude und Interesse an Aktivitäten, Gewichtsveränderungen, Schuldgefühle, Schlafprobleme bis hin zu Suizidgedanken. Darüber hinaus sind bei ihnen die Symptome stärker ausgeprägt und bestehen ununterbrochen seit mindestens zwei Wochen.


http://www.dasinvestment.com/nc/berater/news/datum/2011/09/16/volkskrankheit-burnout-finanzbranche-ist-spitzenreiter/

Stress im Job: So krank macht uns der Druck

18. März 2015. Jeder dritte Mitarbeiter fühlt sich überlastet, viele gefährden ihre Gesundheit. Das geht aus einer neuen Studie hervor. Die Gründe – und was Experten raten.

Die Büronachbarin hustet ständig, der Kollege niest ununterbrochen: Die Erkältungen haben vor allem über den Winter in den Unternehmen und Abteilungen richtig heftig eingeschlagen. Doch anstatt daheimzubleiben, schleppen sich immer mehr krank an den Arbeitsplatz. „Habe ja so viel zu tun“, heißt es dann. Da bleibt nicht nur der Erkältete selbst wochenlang krank, auch Kollegen stecken sich an.

Nun hat sich die Bertelsmann-Stiftung des Themas angenommen und eine neue Studie präsentiert. Das Ergebnis: Wegen großen Drucks am Arbeitsplatz gehen viele Beschäftigte fahrlässig mit ihrer Gesundheit um. Demnach legt ein Viertel der befragten Vollzeit-Beschäftigen ein zu hohes Arbeitstempo vor. Langfristig, so die Interviewten, sei das nicht durchzuhalten. 18 Prozent stoßen oft an ihre Leistungsgrenzen, 23 Prozent machen keine Pausen. Jeder Achte kommt sogar krank zur Arbeit. Das Ergebnis: Damit wachse bei vielen die Gefahr, die eigene Gesundheit zu gefährden.
Selbstgefährdendes Verhalten äußert sich neben dem Verzicht auf Erholung im übermäßigen Konsum von scheinbar leistungssteigernden Substanzen wie Nikotin.

Die Gründe
Vor allem der steigende Ziel- und Ergebnisdruck in den Unternehmen verleitet Arbeitnehmer dazu, viel mehr zu arbeiten, als ihnen guttut. 42 Prozent beklagten, dass das Arbeitsumfeld durch die Erwartung an steigende Leistungsziele geprägt werde. Jeder Dritte weiß nicht mehr, wie er den Ansprüchen gerecht werden soll. Aus diesem Teufelskreis gebe es kein Entkommen, glaubt jeder Zweite. 51 Prozent geben an, keinen oder nur geringen Einfluss auf ihre Arbeitsmenge zu haben.

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.burnout-krankheit-keine-pausen-stress-im-job-so-krank-macht-uns-der-druck.da36e376-5361-4560-b463-42c3de2f9d37.html

Schadensmeldung III

(18. März 2015) Bin in der Kurve nicht weit von der Unglücksstelle ins Schleudern geraten. Während des Schleuderns habe ich wahrscheinlich den entgegenkommenden Mercedes gerammt, der dann die Richtung der totalen Endfahrphase vermutlich mitbestimmte. Es hatte zwischenzeitlich an einigen Stellen geschneit. Die Fahrbahn war dadurch auf einigen Strassen rutschig geworden. Ich wollte den Wagen abbremsen. Ich habe gekämpft wie ich nur konnte, aber es half nichts. Prallte gegen die Zaunmauer und wurde unbewusst. Aus war es mit meiner Gesinnung.

DAK-Studie: Doping im Job nimmt deutlich zu

(18. März 2015) Knapp drei Millionen Deutsche haben verschreibungspflichtige Medikamente genutzt, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen. Das geht aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport „Update: Doping am Arbeitsplatz“ hervor. Ein zentrales Ergebnis: Die Anzahl der Arbeitnehmer, die entsprechende Substanzen schon zum Doping missbraucht haben, ist in den vergangenen sechs Jahren stark gestiegen – von 4,7 auf 6,7 Prozent. Vor allem Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten oder unsicheren Jobs gehören zu den Risikogruppen für den Medikamentenmissbrauch.

Für die repräsentative Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen. Experten nennen das „pharmakologisches Neuro-Enhancement“. Hierfür hat die „DAK-Gesundheit“ Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und zusätzlich mehr als 5.000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben 6,7 Prozent der Berufstätigen, also knapp drei Millionen Menschen, das sogenannte Hirndoping wenigstens schon einmal praktiziert. Bei einem vergleichbaren DAK-Report waren es 2008 noch 4,7 Prozent.

Nach den Ergebnissen des DAK-Gesundheitsreports 2015 gibt es zudem eine hohe Dunkelziffer von bis zu zwölf Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung haben damit fünf Millionen Erwerbstätige schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente zum Hirndoping eingenommen. Und: Unter den übrigen Erwerbstätigen ist jeder Zehnte für diese Form des Hirndopings prinzipiell aufgeschlossen. Regelmäßig dopen sich laut Studie knapp eine Millionen Berufstätige (1,9 Prozent). „Auch wenn Doping im Job in Deutschland noch kein Massenphänomen ist, sind diese Ergebnisse ein Alarmsignal“, warnt DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher. „Suchtgefahren und Nebenwirkungen des Hirndopings sind nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen wir auch beim Thema Gesundheit vorausschauen und über unsere Wertvorstellungen und Lebensstilfragen diskutieren.“

Männer wollen mehr Leistung

Auslöser für den Griff zur Pille sind meist hoher Leistungsdruck sowie Stress und Überlastung. Vier von zehn „Dopern“ gaben an, bei konkreten Anlässen wie anstehenden Präsentationen oder wichtigen Verhandlungen Medikamente einzunehmen. Männer versuchen so vor allem, berufliche Ziele noch besser zu erreichen. Und sie wollen auch nach der Arbeit noch Energie für Freizeit und Privates haben. Frauen nehmen eher Medikamente, damit ihnen die Arbeit leichter von der Hand geht und sie emotional stabil genug sind.

Menschen, die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten oder bei denen Fehler schwerwiegende Konsequenzen haben können, greifen eher zu leistungssteigenden Medikamenten, zeigt die DAK-Analyse. Beschäftigte, die viel mit Kunden zu tun haben, nehmen hingegen überwiegend Tabletten zur Stimmungsverbesserung: Fast jede fünfte Frau nennt viele Kontakte mit Menschen als Grund für den Medikamentenmissbrauch. Vor allem Frauen zwischen 40 und 50 Jahren helfen nach. „Frauen nehmen eher bestimmte Mittel gegen Depressionen, um die Stimmung zu verbessern und Ängste und Nervosität abzubauen“, erläutert Rebscher die Motive. „Bei Männern sind es meist anregende Mittel. Sie wollen wach bleiben, stark und leistungsfähig sein.“

Führungskräfte dopen kaum

Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Top-Manager oder Kreative, die sich mit Medikamenten zu Höchstleistungen pushen wollen. Die Ergebnisse des DAK-Gesundheitsreports zeigen sogar den umgekehrten Zusammengang: Je unsicherer der Arbeitsplatz und je einfacher die Arbeit selbst, desto höher ist das Risiko für Hirndoping. Eine Rolle spielt das Tätigkeitsniveau der Arbeit: Beschäftigte mit einer einfachen Tätigkeit haben zu 8,5 Prozent bereits Medikamente zur Leistungssteigerung oder Stimmungsverbesserung eingenommen. Bei Gelernten oder Qualifizierten sind es nur 6,7 Prozent. Bei den hochqualifizierten Beschäftigten waren es 5,1 Prozent. „Das Klischee der dopenden Top-Manager ist damit vom Tisch“, so Rebscher.

Wunderpillen gibt es nicht

Insgesamt werden zum Hirndoping am häufigsten Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) eingenommen. Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten gegen starke Tagesmüdigkeit. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Mehr als jeder Zweite bekommt für die entsprechenden Medikamente ein Rezept vom Arzt. Jeder Siebte erhält Tabletten von Freunden, Bekannten oder Familienangehörigen, jeder Zwölfte bestellt sie ohne Rezept im Internet.

Professor Dr. Klaus Lieb, Facharzt und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, warnt: „Der Bezug aus dem World Wide Web ist riskant. Dort gibt es viele Medikamentenfälschungen, die ohne Rezept abgegeben werden und der Gesundheit erheblich schaden können.“ Der Doping-Experte dämpft zudem Erwartungen an das pharmakologische Neuro-Enhancement: „Eine Wunderpille gibt es nicht. Oft zeigen die Medikamente nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Demgegenüber stehen hohe gesundheitliche Risiken, wie körperliche Nebenwirkungen bis hin zur Persönlichkeitsveränderung und Abhängigkeit.“ Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen seien nicht selten – und mögliche Langzeitfolgen dagegen noch völlig unklar.

Stress aktiv angehen

Nach Ansicht von Experten ist neben dem äußeren Druck am Arbeitsplatz auch die innere Haltung entscheidend, wenn es um die Anfälligkeit für das Dopen geht. So seien übertriebene Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit häufig ein Problem. Anstatt zur Pille zu greifen, sei es deshalb wichtig zu erkennen, dass Stress-Situationen am Arbeitsplatz nicht völlig vermeidbar sind. Laut DAK-Report ist der Großteil der Arbeitnehmer hier schon auf dem richtigen Weg: Demnach setzt mehr als jeder Zweite auf eine gute Organisation bei der Arbeit. 44 Prozent der Beschäftigten achten darauf, ihre Freizeit möglichst sinnvoll zu verbringen. Sechs von Zehn schlafen ausreichend, um besonders leistungsfähig zu sein.

Krankenstand sinkt leicht

Der DAK-Gesundheitsreport wertet auch die Krankenstandsdaten der Arbeitnehmer umfassend aus. 2014 lag für etwas weniger als jeden zweiten Arbeitnehmer eine Krankschreibung vor (48 Prozent, 2013: 51 Prozent). Fast ein Viertel der Ausfalltage (22,7 Prozent) wurden von Muskel-Skelett-Erkrankungen verursacht, 17 Prozent gingen zu Lasten psychischer Krankheiten und 14 Prozent entfielen auf Erkrankungen des Atmungssystems wie beispielsweise Erkältungen. Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren 2014 das Gesundheitswesen, die Öffentliche Verwaltung sowie Verkehr, Lagerei und Kurierdienste mit jeweils 4,5 Prozent.

Die DAK-Gesundheit ist mit 6,2 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Für die Analyse zum Krankenstand wurden die Daten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten durch das IGES Institut in Berlin ausgewertet.

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