Psychische Erkrankungen nehmen rasant zu

(11. September 2015) Häufig als Mode-Erkrankung verharmlost, ist ein Burnout für die Patienten mit einem hohen Leidensdruck sowie mit Depressionen oder Angststörungen verbunden. Wie alle psychischen Erkrankungen haben Erschöpfungszustände in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. Mit 40 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen finden sich psychische Erkrankungen an zweiter Stelle bei den Krankmeldungen. Bereits heute gehen rund 41 Prozent der Frühverrentungen auf seelische Leiden zurück. Führende Psychologen sehen besonders berufliche Faktoren als Einflussgrößen für die Entwicklung des Burnout-Syndroms: eine steigende Arbeitsmenge und Arbeitsintensität, mangelnde Anerkennung sowie die fehlende Kontrolle über das Arbeitspensum und ein Mangel an Teamgefühl. Auch Mobbing, ständige Erreichbarkeit und Existenzängste setzen Beschäftigte unter Stress.

“Ein Burnout bezeichnet einen Zustand, bei dem der Patient durch beruflichen oder privaten Stress derart belastet ist, dass sich im hohen Maße emotionale Erschöpfung einstellt und die Leistungsfähigkeit erheblich reduziert ist”, definiert Medizin-Nobelpreisträger Professor Dr. Thomas C. Südhof.

Die betroffenen Patienten haben nicht nur mit ihrer Erkrankung zu kämpfen, sondern mit massiven Versorgungsdefiziten im deutschen Gesundheitssystem. Drei von vier Burnout-Betroffenen mit schweren Depressionen erhalten durch den bestehenden Versorgungsmangel keine den aktuellen Behandlungsleitlinien entsprechende Therapie.

Experten gehen davon aus, dass bis zu 100.000 Menschen in Deutschland jedes Jahr an einem Burnout erkranken und sogar jeder Dritte in seinem Leben einmal mit einer seelischen Krise konfrontiert werden wird. Die Diagnose “Burnout” ist längst zur Volkskrankheit geworden.


Quelle: http://www.esanum.de

Jung, dynamisch, ausgebrannt

(08. September 2015) Wenn sich Krankenkassen nach neuen Kunden umschauen, dann oft auf Berufsmessen. Also dort, wo sich jedes Jahr Tausende Schulabgänger darüber informieren, welchen beruflichen Weg sie einschlagen könnten. Dort kann die Krankenkasse ihre potenziellen Mitglieder ansprechen: Jugendliche voller Elan, die bald die Beitragskassen füllen sollen - und diese, auf Jahrzehnte gesehen, möglichst wenig belasten: Weil sie noch nicht so viele Wehwehchen haben wie ältere Arbeitnehmer. Soweit die Theorie.

Zu viel Alkohol und Fast Food, zu wenig Schlaf

Dieses Geschäftsmodell könnte sich als Fehlrechnung entpuppen, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK ermittelt hat. Die Forscher haben erstmals bundesweit etwa 1300 Auszubildende in kleinen und mittelständischen Betrieben befragt und dabei alarmierende Resultate gesammelt.

Demnach klagt ein Drittel der Berufsanfänger über häufige körperliche und psychische Beschwerden, obwohl knapp 74 Prozent mit der Situation im Betrieb zufrieden sind. Die Probleme mögen also auch auf den Lebenswandel der Jugendlichen zurückzuführen sein: kein Frühstück, zu viel Fast Food, zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol und lange Zeiten vor dem Computer.

 
Immerhin verzichtet jeder vierte Auszubildende auf sein Frühstück, 17 Prozent ernähren sich mehrmals in der Woche von Bratwurst, Hamburger & Co. Fast 36 Prozent rauchen, 19 Prozent trinken mehr oder weniger regelmäßig Alkohol. Auch sonst gehen die Jugendlichen eher unbekümmert mit Körper und Gesundheit um: Ein Viertel (26 Prozent) treibt höchstens einmal im Monat aktiv Sport. Dazu passt: Gut zwölf Prozent gaben an, nur selten ausgeruht an ihren Arbeitsplatz oder in die Berufsschule zu kommen.

36 Prozent leiden unter Erschöpfung

30,5 Prozent der Azubis sind der Auffassung, dass ihnen unter der Woche maximal sieben Stunden Schlaf pro Nacht reichen. Nach dem Motto: Es gibt Sinnvolleres zu tun. Sie sind beispielsweise täglich siebeneinhalb Stunden mit Medien beschäftigt - Filme schauen (2,2 Stunden), Computerspiele (eine Stunde) und sonstige Zeit am PC (1,6 Stunden).

Bei jedem fünften Auszubildenden sei ein Lebenswandel zu beobachten, der der Gesundheit abträglich ist, warnen die Wissenschaftler. Bei fast jedem zehnten Befragten würden zudem gesundheitliche Beschwerden und gesundheitsgefährdendes Verhalten gleichzeitig auftreten. So leiden 36 Prozent der Befragten oft unter Müdigkeit und Erschöpfung. 15 Prozent der Berufsanfänger gaben gar an, immer mal wieder ausgebrannt zu sein.

Kündigung

Erkrankungen durch Arbeitsbelastung
 Politik will gegen Psycho-Stress im Job vorgehen  
Um das 18-fache sind Krankheitstage aufgrund des Burn-out-Syndroms innerhalb von acht Jahren gestiegen. Arbeitsministerin von der Leyen hat nun eine Tagung zum Thema Stress im Job einberufen. Doch der Opposition geht Reden allein nicht weit genug.
 
Die gesundheitlichen Probleme äußern sich vor allem in Kopfweh, Verspannungen und Rückenschmerzen. Insgesamt berichten gut 56 Prozent der Auszubildenden über häufige körperliche Beschwerden, 46 Prozent über psychische Probleme. Dies hat Auswirkungen auf die Krankmeldungen von Azubis, deren Quote immerhin 4,3 Prozent beträgt. Der kommissarische Geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbandes, Frank Michalak, appelliert deshalb an die Unternehmen, sich bei der Prävention mehr auf die Auszubildenden einzustellen.

Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen sind gestiegen

Der Krankenstand aller AOK-Versicherten liegt bei 5,2 Prozent, was 18,9 Fehltagen im Jahr entspricht, wie aus dem jährlichen Fehlzeiten-Report der AOK hervorgeht. Insgesamt gesehen, heißt es dort , seien die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen "deutlich" angestiegen,

Die Gründe dafür liegen nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auch im Betrieb. So würden fast 40 Prozent aller Azubis Überstunden leisten, klagen deutsche Betriebsräte. Mehr als 25 Prozent hätten regelmäßig Schwierigkeiten, sich von der anstrengenden Ausbildung zu erholen. "Hier sind eindeutig die Arbeitgeber gefordert. Sie sind für gute Ausbildungsbedingungen verantwortlich", so der DGB.

http://www.sueddeutsche.de/karriere/auszubildende-jung-dynamisch-ausgebrannt-1.2637356

Work-Life-Balance: Wissenschaftler fordert drei Tage Wochenende

(07. September 2015) 4 Tage arbeiten, 3 Tage Wochenende!

Gegen diesen Vorschlag hätte wohl niemand etwas: Ein britischer Wirtschafts-Professor fordert die Einführung eines verlängerten Wochenendes für alle Arbeitnehmer. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei - das wäre doch was, oder? Die Reform soll bewirken, dass wir effektiver arbeiten.

In Zeiten, in der eine Work-Life-Balance angestrebt und doch selten erreicht wird, fordert David Spencer, Professor für Wirtschaft an der University of Leed, ein 3-Tage-Wochenende und 30 statt 40 Arbeitsstunden pro Woche. Studien zeigen, dass viele Mitarbeiter am Ende einer Woche mürbe und unglücklich sind. Als Folge hat sich eine neue Volkskrankheit etabliert: Burn-Out. Der Stress im Job steigert das Risiko für einen Schlaganfall, Diabetes Typ 2 oder Herzerkrankungen.

Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist daher sehr wichtig. Spencer wünscht sich, dass Mitarbeiter ihr Leben wieder genießen sollen und glaubt, dass dies durch eine Verlängerung des Wochenendes erreicht werden kann. Denn nur wer erholt an den Arbeitsplatz kommt, kann auch hundert Prozent geben.


Noch klingt das Ganze nach Utopie

In seinem Aufsatz 'Die ökonomische Zukunft unserer Enkel' von 1930, beschrieb Ökonom John Maynard Keynes, wie das Arbeitsleben in 100 Jahren aussehen könnte. Er hatte die Vorstellung, dass die Menschen im Jahre 2030 mit einer 15-Stunden-Woche auskämen, da der technische Fortschritt die Arbeitnehmer entlasten würde.

Andere Experten sind weniger optimistisch, was das 4-Tage-Wochen-Modell angeht. "Ob das automatisch zu einer besseren Gesundheit führt, ist für mich sehr zweifelhaft", sagt Psychotherapeut Dr.Manfred Nelting. Erholung entsteht ja nicht durch Rumsitzen. Die hinzugewonnene Freizeit sollte genutzt werden, um Krankheiten wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten vorzubeugen - am besten durch Bewegung.

Noch klingt das Ganze mehr nach Utopie. Vielleicht auch, weil für die Umsetzung alle Beteiligten daran glauben müssen.

http://www.frauenzimmer.de/cms/work-life-balance-wissenschaftler-fordert-drei-tage-wochenende-2439609.html

Krankenstand, Papierberge, Alkohol: Wie können Arbeitgeber psychische Gefährdungen erkennen?

(07. September 2015) Seit Juni 2015 ist in Deutschland die novellierte Betriebssicherheitsverordnung in Kraft. Sie berücksichtigt erstmals auch psychische Belastungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln. Doch schon seit 2013 sind Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, regelmäßig psychische Gefährdungen für ihre Mitarbeiter im Unternehmen zu beurteilen und dies auch zu dokumentieren – gar nicht so einfach. Denn wie kann der Arbeitgeber psychische Belastungen erkennen? Die Interessenvereinigung Wenza Ewiv nennt die wichtigsten Hinweise.

Ob ein Mitarbeiter überlastet ist, ob er sich gestresst oder auch unterfordert fühlt, wird er in den wenigsten Fällen seinem Arbeitgeber direkt mitteilen. Vorgesetzte müssen deshalb genau hinschauen, um mögliche Gefährdungen und Belastungen erkennen und dokumentieren zu können. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, drohen Bußgeldzahlungen.

Krankenstand und Arztbesuche
Das einzige harte Indiz, um psychische Belastungen der Mitarbeiter aufzuspüren, ist der Krankenstand. Wenn die Zahl der Fehltage rasant ansteigt, sollten beim Arbeitgeber die Alarmglocken schrillen. Denn Krankheit ist nicht nur für die Betroffenen schlimm. Auch für das Unternehmen bedeuten die Fehlzeiten Einbußen – finanziell und im Arbeitsablauf. Dabei ist je nach Branche die durchschnittliche Anzahl von Fehltagen unterschiedlich: Im Verwaltungsbetrieb sind fünf Prozent bereits dramatisch, im gewerblichen Bereich sind diese hingegen noch vertretbar. Statistiken über den Krankenstand einzelner Branchen veröffentlichen die Krankenversicherungen regelmäßig. Auch wenn Mitarbeiter häufiger zum Arzt gehen als üblich, sollten Arbeitgeber aufmerksam werden.

Papierberge und Überstunden
Projekte, die nicht wie geplant zu Ende geführt werden, oder Papierberge, die sich auf dem Schreibtisch häufen, sind weitere deutliche Hinweise auf eine Überforderung des Mitarbeiters. Schafft er seine Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit und muss laufend Überstunden machen, könnte das an einer psychischen Überlastung liegen. Arbeitgeber sollten dann auch darauf achten, ob der Mitarbeiter angespannt wirkt. Kommt er regelmäßig müde zur Arbeit? Oder schafft er noch die Balance zwischen Anspannung und Entspannung?

Drogen und Alkohol
Häufig reagieren Menschen auf übermäßige Belastungen mit dem Konsum von Rauschmitteln und Drogen. Ein Warnsignal für psychische Gefährdungen ist es deshalb, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig viel Alkohol trinkt und verkatert zur Arbeit kommt. Aber auch starkes Rauchen kann ein Hinweis auf zunehmenden Stress sein.

Wenn der Arbeitgeber Anzeichen psychischer Überlastung erkennt, muss er sich fragen, ob die Ursache dafür im Unternehmen liegt. Risiken im Betrieb können zum Beispiel unattraktive Aufgaben, eine schlechte Arbeitsorganisation, schwierige soziale Bedingungen – wie Mobbing oder Konflikte mit dem Vorgesetzten – oder ein problematisch gestalteter Arbeitsplatz sein. Gefährdungen in diesen Bereichen müssen Arbeitgeber regelmäßig für jeden Mitarbeiter beurteilen und dokumentieren. Tun sie das nicht, können sie persönlich haftbar gemacht werden.

Maßnahmen, um die Gefährdungen zu reduzieren, sind zum Beispiel
· eine neue Aufgabenverteilung,
· veränderte Arbeitsprozesse,
· oder eine andere Gestaltung des Arbeitsplatzes.

Wenn soziale Konflikte bestehen, können Gespräche mit den Betroffenen, eine neue Zusammenstellung der Teams oder veränderte Dienstpläne helfen. „Je nach Einzelfall ist die Lösung unterschiedlich“, erklärt Kent Schwirz von der Wenza Ewiv. Die unabhängige Interessenvereinigung hilft Unternehmen unter anderem dabei, die gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz einzuhalten. „Der Gesetzgeber achtet aber genau darauf, ob Unternehmen Gefährdungen überhaupt erkennen, dokumentieren und Gegenmaßnahmen ergreifen.“

Sehr viel schwieriger ist es für Arbeitgeber, bei Belastungen zu helfen, die ihren Ursprung im Privaten haben. Trennungen, Krankheit oder finanzielle Probleme nehmen die Mitarbeiter oft so stark mit, dass auch ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt ist. „Coaching-Angebote für die Mitarbeiter haben sich als gute Möglichkeit erwiesen, um psychische Gefährdungen aufzuspüren und gleichzeitig Unterstützung zu liefern. Die klassische Mitarbeiterbefragung hingegen liefert meist ein verzerrtes Bild“, sagt Kent Schwirz. „Wenn Unternehmen zum Beispiel im Intranet oder auf einem speziellem Online-Portal Coachings und anonyme Beratung anbieten, kann das für die Mitarbeiter eine wichtige Anlaufstelle sein. Gleichzeitig beweisen Unternehmen damit, dass sie psychische Gefährdungen ernst nehmen und richtig darauf reagieren. Dazu liefern die Anfragen der Mitarbeiter wertvolle Hinweise – auch, wenn sie anonymisiert sind.“

www.wenza.de

Anonyme Online-Selbsthilfe bei Alkoholproblemen

(01. September 2015) Für alle, die ihren Alkoholkonsum reduzieren oder völlig beenden möchten, gibt es ein leicht zugängliches Online-Selbsthilfeprogramm. In Deutschland trinken über 15 Millionen Menschen* mehr Alkohol als von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitlich unbedenklich eingeschätzt wird: Für Männer gilt ein Maximum von zwei Gläsern und für Frauen ein Glas pro Tag. Darüber hinaus raten Suchtexperten an mindestens zwei Tagen pro Woche keinen Alkohol zu trinken, um einer Gewöhnung vorzubeugen.

Freie Wahl des Ziels
Die Betreiber des Online-Selbsthilfeprogramms möchten Betroffene erreichen, die trotz eines kritischen Alkoholkonsums bislang noch keine Hilfe gesucht haben. Anders als in der Behandlung, kann im Selbsthilfeprogramm ein eigenes Veränderungsziel gewählt werden: Betroffene, die bei der Teilnahme feststellen, dass eine Abhängigkeit vorliegt, erhalten Hinweise zur Behandlung und entsprechende weiterführende Links.

Behandlungslücke
Die Suchtexperten Dr. Johannes Lindenmeyer, Direktor der salus klinik Lindow, und Peter Missel, Präsidiumsmitglied des Wissenschaftsrates der AHG Allgemeinen Hospitalgesellschaft, haben große Erwartungen an das Programm: “In Deutschland gibt es eine riesige Behandlungslücke bei Alkoholproblemen, die wir mit diesem leicht zugänglichen Hilfsmittel überbrücken können. Aus gesundheitsökonomischen Gesichtpunkten ist hierbei entscheidend, dass das Online-Selbsthilfe Programm keine großen Kosten verursacht. Die Teilnehmer können ihren Alkoholkonsum gezielt verändern, bevor ernsthafte Probleme entstehen und teure Behandlungsverfahren erforderlich werden.“

Erfolgsmesser
Das Selbsthilfeprogramm gibt dem Benutzer mit Hilfe eines sogenannten „Erfolgsmessers“ ständig unmittelbare Rückmeldung, wie erfolgreich er bei der Veränderung seines Alkoholkonsums vorankommt. Er erhält Einsicht in seine typischen Trink- und Risikosituationen, lernt mit Verlangen nach Alkohol umzugehen und entwickelt Notfallpläne für Rückschläge. Innerhalb des Selbsthilfeprogramms gibt es ein anonymes Forum, in dem sich die Betroffenen gegenseitig um Rat fragen und/oder sich Unterstützung geben können. Zudem erhalten die Teilnehmer per E-Mail täglich Erinnerungen und wöchentlich eine Übersicht über ihre bisherigen Ergebnisse. Das Forum kann nach Ablauf der Programmteilnahme vorerst unlimitiert und kostenlos weiter genutzt werden.

Selbsttest
Bisher haben ca. 4.000 Menschen an diesem, von der WHO entwickelten, Selbsttest im Internet teilgenommen. Jeder Teilnehmer erhält eine persönliche Rückmeldung. Demnach könnten etwa 50 Prozent dieser Betroffenen von der Online-Selbsthilfe profitieren.

Kostenlos testen
Das Selbsthilfeprogramm kann eine Woche lang kostenlos getestet werden. Erst danach entscheidet der Nutzer, ob er am sechswöchigen Programm teilnehmen möchte. Dieses kostet einmalig 19,95 Euro - ungefähr soviel wie ein Selbsthilfebuch.

Dauerhaftes ModellDurch die Gebühren können die Betreiber den Teilnehmern von „Online Selbsthilfe“ bei Bedarf weitere technische und inhaltliche Unterstützung anbieten. Außerdem möchten sie damit in neue Entwicklungen und ständige Verbesserungen investieren.

Zusammenarbeit
Das Selbsthilfeprogramm wird unterstützt von der salus kliniken GmbH und der AHG Allgemeine Hospitalgesellschaft AG – in Zusammenarbeit mit den holländischen Entwicklern des Programms, dem renommierten Jellinek Institut für Suchthilfe (Teil der Arkin Holding B.V., Amsterdam), und der holländischen EDV-Firma Mas Outreach Projecten B.V.

Die Teilnahme erfolgt anonym über die Webseite www.selbsthilfealkohol.de.

*Quelle: http://www.dhs.de/datenfakten/alkohol.html

Doping im Job: Leistung um jeden Preis? Drogenbeauftragte der Bundesregierung besuchte Klinik Tönisstein

(31. August 2015)  Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, besuchte die AHG Klinik Tönisstein. Im Zentrum standen die aktuellen Themen „Doping im Beruf“ und „Lifestyledrogen“. Aktuellen Studien zufolge ist der Anteil der Berufstätigen, die zur Leistungssteigerung im Beruf Medikamente einnehmen, deutlich angestiegen.

Welchen Patienten ein Online-Therapeut helfen kann

(31. August 2015) Bei psychischen Störungen ist schnelle Hilfe gefragt. Doch die Wartezeiten bei den Therapeuten sind lang. In Deutschland wird jetzt überprüft, wann die Online-Psychotherapie eine Alternative bietet.

Von Sophie Rohrmeier

Hannes Bruehl* weiß, wie schwer der Alltag sein kann. Was für eine große Herausforderung es ist, den Computer einzuschalten. Aufzuschreiben, ob und was man am Tag geschafft hat. Und dann auf den "Senden"-Knopf zu clicken, damit der Therapeut die E-Mail bekommt. "Das ist nicht leicht, wenn man in einer depressiven Phase ist", sagt Bruehl.

Seine Depressionen kehren immer wieder, er hat Familie und Beruf, aber keinen Therapieplatz. Bis er einen der bundesweit raren Plätze in einem Modellprojekt ergattert – für Internettherapie. Das Angebot könnte möglicherweise sehr gut für die Patienten sein. Doch weil es bislang nur wenige Daten über diese Art der Therapie gibt, ist sie unter Experten noch umstritten.

Hannes Bruehls Krankheit bedeutet noch immer ein Stigma, deshalb möchte er seinen richtigen Namen auch nicht öffentlich machen. Aber er will auch etwas gegen die Depression tun. "Selbstbestimmung ist mir wichtig", sagt Hannes Bruehl. An Menschen wie ihn richtet sich das Angebot "net-step": Patienten mit Depression, sozialer Phobie oder Panikstörung. "Net-step" ist ein Experiment am St. Alexius-/ St. Josef-Krankenhaus in Neuss, das von einer wissenschaftlichen Studie begleitet wurde. Gerade erst ist sie abgeschlossen.

Erste Studienergebnisse sind positiv

"Meine Frau sagt, ich falle nicht mehr in so tiefe Löcher wie früher", sagt Bruehl. Die Therapie im Netz habe ihm geholfen, früher gegenzusteuern. "Sogar schwer depressive Patienten haben sich durch unsere Behandlung ganz deutlich verbessert", sagt Therapeut Ulrich Sprick. Er leitet das Ambulante Zentrum der Klinik, an der "net-step" umgesetzt wurde. Die Studie zeigt: Die Heilungschancen seien so gut wie bei einer Verhaltenstherapie von Angesicht zu Angesicht. Im Ausland liegen Sprick zufolge ganz ähnliche Ergebnisse vor.

Mehr als 100 Patienten haben dafür über das Internet eine kognitive Verhaltenstherapie durchlaufen. Dabei geht es darum, unangemessene Wahrnehmungen, Bewertungen und Gedanken, die zu Angst, Ärger und Depression führen, umzugestalten – ohne zu persönlichen Sitzungen zu gehen. Dennoch ist die Behandlung von einem Therapeuten geleitet.

Der Patient lernt seinen Betreuer zu Beginn einmal persönlich kennen, danach stehen sie über Nachrichten in Kontakt. Der Therapeut antwortet innerhalb von 24 Stunden. Das Angebot war der Krankenkasse AOK zufolge bundesweit das erste seiner Art.


Online-Kommunikation fällt vielen leichter

Die Vorteile der Internetpsychotherapie liegen für die Befürworter auf der Hand: Der Patient entscheidet, wann er mit dem Therapeuten in Kontakt ist und wie oft. Auf vorher festgelegte Termine braucht er nicht zu warten, in die Praxis muss er auch nicht. "Eine Patientengruppe, die man nicht vergessen darf, sind Menschen, die über Mails oder SMS Kontakt zu Therapeuten aufnehmen – und sofort klarstellen: Ich komme nicht in die Praxis – aus Scham oder Angst", sagt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Ernst Dietrich Munz. Für sie kann Onlinekommunikation ein Einstieg sein. Und: Im Netz muss der Therapeut nicht sofort antworten, sondern kann überlegen oder mit Kollegen beraten. Eben das ist einer der Gründe, warum der Psychoanalytiker Jürgen Hardt skeptisch ist: Die Hilfe, die der Patient online erhalte, sei nur vermeintlich optimal. "Die Patienten fühlen sich zwar besser verstanden. Die Hilfe kommt wie vom Himmel", sagt der frühere Vorsitzende der Landespsychotherapeutenkammer Hessen. Therapeuten könnten ihre eigene Überforderung verstecken. Fällt der ideale Therapeut weg, so befürchtet Hardt, kann der Patient nicht selbst eine Lösung finden.


Nicht alles lässt sich online therapieren

Über die Erfolge herrscht also Uneinigkeit. "Wir wollen doch gerade Dinge herausfinden, die sich die Person selbst nicht eingesteht", sagt Hardt. Bewusst Geschriebenes reiche nicht für eine Therapie. Depressionspatient Hannes Bruehl hat ähnliche Erfahrungen gemacht. "Bei mir gibt es offenbar Dinge, die tiefer liegen", sagt er. "Aber da ranzukommen, das hat die Internettherapie nicht hergegeben." Er wird auch noch eine Gesprächstherapie machen. Auch aus der Sicht von Onlinebefürworter Spricks kann die Psychotherapie im Netz das persönliche Gespräch nicht komplett ersetzen. Mimik und Gestik nimmt der Therapeut im reinen Mail-Verkehr nicht wahr, auch nicht den Tonfall. Oder das Schweigen. Ist ein Patient nahe dran, sich das Leben zu nehmen – der Therapeut kann es nur schwer erkennen. Computer als Hilfsmittel gegen seelische Störungen wirken auf die Psyche ein – analog zu Arzneimitteln, wie BPtK-Präsident Munz sagt. Doch wer trägt die Verantwortung für mögliche Nebenwirkungen, wenn kein Therapeut die Behandlung begleitet? Das ist ihm zufolge nicht klar.


Juristisch schwieriges Terrain

Auch die konventionelle Form erlaubt keine Kontrolle rund um die Uhr. Aber ohne unmittelbare Signale ist es schwieriger, rechtzeitig einzugreifen. Suizidgefährdete Patienten hat das Team um Sprick deshalb von vornherein ausgeschlossen. Verschlechterte sich der Zustand eines Patienten, konnte er in eine herkömmliche Therapie wechseln.

Manchmal geht gar nichts mehr

Persönlicher Kontakt zum Patienten ist auch eine Bedingung dafür, dass gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen. Onlinetherapie müssen sie nicht bezahlen, können es im Einzelfall aber. Bevor sich die Therapeuten gemeinsam dafür einsetzen, dass Therapien im Netz eine Regelleistung der Kassen werden, sind wohl auch technologische Probleme zu lösen. Sie haben mit der Berufsethik zu tun.

"Reine Internettherapie ohne jeden Kontakt wird nur sehr schwer mit den Berufsordnungen in Einklang zu bringen sein", sagt Martin Stellpflug, BPtK-Justiziar und Medizinrechtler. Ärzte und Therapeuten haben Sorgfaltspflicht. "Bei Onlinetherapien ist nicht gesichert, dass da etwa wirklich die Hausfrau, 40 Jahre, sitzt. Und nicht ein 12-Jähriger." Je weniger Kontakt besteht, desto schwieriger ist die Sorgfalt zu gewährleisten.

"Die Vertraulichkeit ist wegen der Digitalisierung nicht mehr gesichert", sagt Analytiker Hardt. Intime Geheimnisse seien so abhängig von der Digitalindustrie, die Daten vor Hackern nicht geschützt. Auch die gesetzlichen Kassen lehnen dem GKV-Spitzenverband zufolge die Anerkennung von Onlinevideokonferenzen mit Skype oder ähnlichem als psychotherapeutische Technik ab – "da derartige Übertragungswege und Plattformen keine Datensicherheit gewährleisten können".

Und der Patient? "Ich hatte absolut keine Bedenken", sagt Hannes Bruehl. Psychotherapeut Sprick verteidigt sein Modellprojekt "net-step" so gut er kann: Der Austausch laufe über einen passwortgeschützten Server in Deutschland, sagt er, so sicher wie Onlinebanking – und schränkt gleich wieder ein: "100-prozentige Sicherheit gibt es nicht."

*Name von der Redaktion geändert

http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article145789214/Welchen-Patienten-ein-Online-Therapeut-helfen-kann.html