Wer sich nicht selbst zu führen versteht, kann auch andere nicht führen

(12 April 2016) Welchen Stellenwert hat das Thema Gesundheit in einem Unternehmen? Was macht gesunde Führung aus? Ist Achtsamkeit nur etwas für Esoteriker? Um Fragen wie diese drehte sich die Mindful Leadership Konferenz: Führung und Gesundheit – Wege zu einer neuen Organisationskultur an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) vom 8. bis 9. April.

Über 100 Teilnehmer aus den Bereichen Verwaltung, Unternehmen und Coaching waren zum Wittener Campus gekommen, um neueste Analysen, methodische Anregungen und praktische Übungen kennenzulernen und zu erproben. Sebastian Benkhofer, Leiter des Zentrums für Fort- und Weiterbildung der UW/H hatte in Kooperation mit dem Organisationsberater, Coach und Mediator Rudi Ballreich zahlreiche Wissenschaftler, Experten und Praktiker für ein umfassendes Tagungsprogramm gewinnen können. In seiner Begrüßung betonte UW/H-Kanzler Jan Peter Nonnenkamp, dass im Studienangebot neben der fachlichen Qualifikation viel Wert auf die persönliche Entwicklung gelegt werde. „Wir wollen nicht nur gute Ärzte und Manager ausbilden, sondern auch empathische Menschen.“

Einfühlungsvermögen ist neben Organisationsgeschick und fachlicher Expertise eine wichtige Eigenschaft von Führungskräften, die heute oft unter hohem Druck stehen. Wenn das Arbeitspensum nicht mehr als spannende persönliche Herausforderung, sondern als Belastung empfunden wird, lassen gesundheitliche Probleme nicht lange auf sich warten. „Wer sich nicht selbst zu führen versteht, kann auch andere nicht führen.“ Dieses Zitat von Alfred Herrhausen, Gründungsmitglied der UW/H ist nach wie vor aktuell.  
 
Prof. Dr. Bernhard Badura, einer der einflussreichsten Forscher zum Thema Gesundheitsmanagement, untermauerte in seinem Beitrag den Zusammenhang zwischen der Organisationskultur eines Unternehmens und der Gesundheit der Mitarbeiter. In Betrieben, in denen beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine starke emotionale Bindung artikulieren, gibt es weniger Fehlzeiten. Soziale Akzeptanz wirke sich auf die Produktivität aus. Badura warnte zugleich vor einem allgemeinen Trend, Arbeit stets mit Stress gleichzusetzen. Denn Arbeit habe für den Menschen eine grundsätzlich sinnstiftende Funktion.

Aus der Perspektive der Neurowissenschaft heraus erläuterte Prof. Dr. Joachim Bauer, Arzt und Forscher am Uniklinikum Freiburg und Bestseller-Autor, Erkenntnisse, die für die Arbeitswelt hilfreich sein können. Die Wahrnehmung von Lob und Anerkennung lasse sich im menschlichen Gehirn stofflich darstellen. „Die Psyche ist an der Steuerung biologischer Prozesse beteiligt.“ Er stellte dar, dass Lebensstile und die Art, wie wir Beziehungen erleben und selbst gestalten, Einfluss auf die Gesundheit des Körpers haben.  

Welche Bedeutung Sprache im Führungsverhalten spielt, stellte Dr. Gunther Schmidt anschaulich dar. Der Leiter des Heidelberger Milton-Erickson-Instituts berichtete über seine langjährige therapeutische Tätigkeit. Konflikte ließen sich auch als „interessante Begegnung unterschiedlicher Positionen“ verstehen. Und demjenigen, der einen Fehler eingestehe, müsse gedankt werden, weil er Lernprozesse in Gang bringe.

Prof. Dr. Marcel Hülsbeck und Dr. Hannah Möltner stellten die Ergebnisse der eigens für die Konferenz durchgeführten Studie, des Zentrum Fort- und Weiterbildung der UW/H zu gesunder Führung vor. Dass in der gesunden Selbstführung noch deutliches Verbesserungspotential steckt, zeigen die Ergebnisse der Befragung von über 200 Führungskräften. „Wenn Sie gesunde Führung fördern wollen, benötigen Sie Organisationen, die ihren Führungskräften den Rücken stärken und Menschen an der Spitze, für die Achtsamkeit kein Fremdwort ist“ so fasst Dr. Hannah Möltner die Studie zusammen.

„Führung und Gesundheit im Spannungsfeld von Mensch und Organisation“ war der Titel des Vortrags von Rudi Ballreich. Darin beschrieb er u. a., dass es die Aufgabe von Führungskräften ist, bei ihren Mitarbeitern und sich selbst ein Gefühl der Kohärenz zu ermöglichen. Wenn das Bedürfnis nach Orientierung, nach Sinnhaftigkeit und nach Selbstwirksamkeit befriedigt ist, ist die Gesundheit der Mitarbeiter nachhaltig gestärkt.

Robert Weller vom Kreisklinikum Siegen berichtete von der Entwicklung eines aktiven Gesundheitsmanagements im Zusammenhang mit der Veränderung der Organisationskultur. Wie ein weltweit agierendes Unternehmen die positiven Effekte von Achtsamkeitstrainings für sich entdeckte, wurde durch den Vortrag von Peter Bostelmann, Wirtschaftsingenieur und Gründer der „Global Mindfulness Practice“ bei SAP deutlich. In allen Niederlassungen erfreuen sich diese Angebote bei den Mitarbeitern höchster Beliebtheit. Die Wartelisten für Meditationskurse und Trainings seien lang.

Der erste Tag wurde abgerundet mit dem Film „From Business to Being“ der zur Botschaft hatte, dass Leistungsfähigkeit in Kombination mit einer sinn-fokussierenden, einfühlsamen Achtsamkeit Voraussetzungen für nachhaltige Gesundheit sind.
Am Samstag stand ein Trainingsworkshop von Rudi Ballreich und Susanne Breuninger-Ballreich auf dem Programm, bei dem die Teilnehmer „Achtsamkeit“ trainieren konnten. Sie dient der Stärkung der Selbststeuerung u.a. in Führungsprozessen und hilft dabei zwischen Reiz und Reaktion eine bewusst gewählte Entscheidung zu treffen.

Passend zum Titelbild der Konferenz, auf dem ein Mensch auf einem Berggipfel zu sehen ist, hatte das Tagungsteam die musikalische Begleitung ausgewählt: Moderne alpenländische Musik mit Alphorn und instrumenteller Begleitung brachte Loisach Marci zu Gehör. Die optische Protokollierung des Tagungsgeschehens fing Patrick Rebacz als „Visiolog“ mit Stift und Papier ein.      

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