(20. September 2015) Zehn Fragen zu der Krankheit, an der immer mehr Menschen leiden an Nobelpreisträger Prof. Südhof
Ein Mann in Sandalen war der Spitzenstar: So kam Medizin-Nobelpreisträger Prof. Thomas Südhof (59) zum Burn-out-Kongress der Limes-Schlosskliniken ins Schloss Charlottenburg. Führende Forscher und Mediziner präsentierten neue Ergebnisse zu der Krankheit, an der auch immer mehr Berliner leiden. In der BILD erklärt Biochemiker Südhof, was bei Burn-out passiert und wie man sich schützen kann.
Ist Burn-out im Gehirn tatsächlich nachweisbar?
Ja! Sogar bei Mäusen. Dabei muss man wissen, dass das Gehirn sich ständig verändert – jeder Lernprozess schafft eine neue Hirnstruktur. Also auch jeder krankhafte Lernprozess – wir nennen das Fehlanpassung. Der Betroffene passt sich einer schädlichen Bedingung an. Die gute Nachricht dabei: Der Prozess ist umkehrbar, man kann umlernen!
Wie zeigt sich Burn-out?
Zuerst am Lebensgefühl. Es führt zu Überforderung, der Betroffene verliert die Lust am Leben, am Arbeiten, an der Freude. Er ist konstant gestresst, chronisch belastet.
Was ist der Unterschied zwischen Burn-out und Depression?
Kein Unterschied – Burn-out ist eine der vielen Erscheinungsformen von Depression. Es ist eine Ausformung der Krankheit – und die Grenzen sind fließend.
Warum kann man das nicht genauer klassifizieren?
Weil wir noch immer viel zu wenig vom Gehirn verstehen! Der Begriff Burn-out beschreibt den Patienten in einer Situation, nicht die Krankheit. Früher hat man das Melancholie genannt, später wird man es wieder anders nennen.
Kann man es trotzdem heilen?
Ja! Und ich rate jedem, der eine ungewohnte Traurigkeit und Lähmung an sich feststellt, zum Arzt zu gehen! Es geht nicht alleine weg, wenn man nichts tut, wird es schlimmer.
Was hilft gegen Burn-out?
Je nach Schweregrad Medikamente, Verhaltenstherapie oder beides. Betroffene müssen ihr Leben ändern. Das Hauptproblem ist die ununterbrochene Ansprache, der wir ausgesetzt sind. Der Mensch ist nicht so gemacht, dass er ununterbrochen kommuniziert. Er braucht Pausen. Die muss man schaffen.
Wie schützen Sie sich?
Ich schalte um 20 Uhr alle elektronischen Geräte aus und erst nach dem Frühstück mache ich sie wieder an.
Und dann sind da 47 E-Mails?
Dann bearbeite ich sie alle nacheinander. Es ist besser, 47 E-Mails am Stück zu bearbeiten und dann Pause zu machen, als den ganzen Tag lang ununterbrochen ein paar zu bearbeiten.
Was kann man noch tun?
Auf sich achten, herausfinden, was einem guttut. Ich zum Beispiel trage immer Sandalen – das tut mir gut, und mir ist es egal, wie andere das finden. Man muss sich nicht immer anpassen.
Führt Burn-out zu Folgekrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall?
Nicht unmittelbar. Aber wie alle Formen der Depression kann es zu einem veränderten Lebensstil führen, der kann ungesund sein und so zu anderen Krankheiten führen.
Stimmt es, dass eine Stadt wie Berlin Burn-out besonders fördert?
Das habe ich noch nie gehört! Wieso auch, Berlin ist doch eine ganz ruhige Stadt! Anders als New York, Tokio, Peking, sogar San Francisco!
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