Jung, dynamisch, ausgebrannt

(08. September 2015) Wenn sich Krankenkassen nach neuen Kunden umschauen, dann oft auf Berufsmessen. Also dort, wo sich jedes Jahr Tausende Schulabgänger darüber informieren, welchen beruflichen Weg sie einschlagen könnten. Dort kann die Krankenkasse ihre potenziellen Mitglieder ansprechen: Jugendliche voller Elan, die bald die Beitragskassen füllen sollen - und diese, auf Jahrzehnte gesehen, möglichst wenig belasten: Weil sie noch nicht so viele Wehwehchen haben wie ältere Arbeitnehmer. Soweit die Theorie.

Zu viel Alkohol und Fast Food, zu wenig Schlaf

Dieses Geschäftsmodell könnte sich als Fehlrechnung entpuppen, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK ermittelt hat. Die Forscher haben erstmals bundesweit etwa 1300 Auszubildende in kleinen und mittelständischen Betrieben befragt und dabei alarmierende Resultate gesammelt.

Demnach klagt ein Drittel der Berufsanfänger über häufige körperliche und psychische Beschwerden, obwohl knapp 74 Prozent mit der Situation im Betrieb zufrieden sind. Die Probleme mögen also auch auf den Lebenswandel der Jugendlichen zurückzuführen sein: kein Frühstück, zu viel Fast Food, zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol und lange Zeiten vor dem Computer.

 
Immerhin verzichtet jeder vierte Auszubildende auf sein Frühstück, 17 Prozent ernähren sich mehrmals in der Woche von Bratwurst, Hamburger & Co. Fast 36 Prozent rauchen, 19 Prozent trinken mehr oder weniger regelmäßig Alkohol. Auch sonst gehen die Jugendlichen eher unbekümmert mit Körper und Gesundheit um: Ein Viertel (26 Prozent) treibt höchstens einmal im Monat aktiv Sport. Dazu passt: Gut zwölf Prozent gaben an, nur selten ausgeruht an ihren Arbeitsplatz oder in die Berufsschule zu kommen.

36 Prozent leiden unter Erschöpfung

30,5 Prozent der Azubis sind der Auffassung, dass ihnen unter der Woche maximal sieben Stunden Schlaf pro Nacht reichen. Nach dem Motto: Es gibt Sinnvolleres zu tun. Sie sind beispielsweise täglich siebeneinhalb Stunden mit Medien beschäftigt - Filme schauen (2,2 Stunden), Computerspiele (eine Stunde) und sonstige Zeit am PC (1,6 Stunden).

Bei jedem fünften Auszubildenden sei ein Lebenswandel zu beobachten, der der Gesundheit abträglich ist, warnen die Wissenschaftler. Bei fast jedem zehnten Befragten würden zudem gesundheitliche Beschwerden und gesundheitsgefährdendes Verhalten gleichzeitig auftreten. So leiden 36 Prozent der Befragten oft unter Müdigkeit und Erschöpfung. 15 Prozent der Berufsanfänger gaben gar an, immer mal wieder ausgebrannt zu sein.

Kündigung

Erkrankungen durch Arbeitsbelastung
 Politik will gegen Psycho-Stress im Job vorgehen  
Um das 18-fache sind Krankheitstage aufgrund des Burn-out-Syndroms innerhalb von acht Jahren gestiegen. Arbeitsministerin von der Leyen hat nun eine Tagung zum Thema Stress im Job einberufen. Doch der Opposition geht Reden allein nicht weit genug.
 
Die gesundheitlichen Probleme äußern sich vor allem in Kopfweh, Verspannungen und Rückenschmerzen. Insgesamt berichten gut 56 Prozent der Auszubildenden über häufige körperliche Beschwerden, 46 Prozent über psychische Probleme. Dies hat Auswirkungen auf die Krankmeldungen von Azubis, deren Quote immerhin 4,3 Prozent beträgt. Der kommissarische Geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbandes, Frank Michalak, appelliert deshalb an die Unternehmen, sich bei der Prävention mehr auf die Auszubildenden einzustellen.

Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen sind gestiegen

Der Krankenstand aller AOK-Versicherten liegt bei 5,2 Prozent, was 18,9 Fehltagen im Jahr entspricht, wie aus dem jährlichen Fehlzeiten-Report der AOK hervorgeht. Insgesamt gesehen, heißt es dort , seien die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen "deutlich" angestiegen,

Die Gründe dafür liegen nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auch im Betrieb. So würden fast 40 Prozent aller Azubis Überstunden leisten, klagen deutsche Betriebsräte. Mehr als 25 Prozent hätten regelmäßig Schwierigkeiten, sich von der anstrengenden Ausbildung zu erholen. "Hier sind eindeutig die Arbeitgeber gefordert. Sie sind für gute Ausbildungsbedingungen verantwortlich", so der DGB.

http://www.sueddeutsche.de/karriere/auszubildende-jung-dynamisch-ausgebrannt-1.2637356

Work-Life-Balance: Wissenschaftler fordert drei Tage Wochenende

(07. September 2015) 4 Tage arbeiten, 3 Tage Wochenende!

Gegen diesen Vorschlag hätte wohl niemand etwas: Ein britischer Wirtschafts-Professor fordert die Einführung eines verlängerten Wochenendes für alle Arbeitnehmer. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei - das wäre doch was, oder? Die Reform soll bewirken, dass wir effektiver arbeiten.

In Zeiten, in der eine Work-Life-Balance angestrebt und doch selten erreicht wird, fordert David Spencer, Professor für Wirtschaft an der University of Leed, ein 3-Tage-Wochenende und 30 statt 40 Arbeitsstunden pro Woche. Studien zeigen, dass viele Mitarbeiter am Ende einer Woche mürbe und unglücklich sind. Als Folge hat sich eine neue Volkskrankheit etabliert: Burn-Out. Der Stress im Job steigert das Risiko für einen Schlaganfall, Diabetes Typ 2 oder Herzerkrankungen.

Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist daher sehr wichtig. Spencer wünscht sich, dass Mitarbeiter ihr Leben wieder genießen sollen und glaubt, dass dies durch eine Verlängerung des Wochenendes erreicht werden kann. Denn nur wer erholt an den Arbeitsplatz kommt, kann auch hundert Prozent geben.


Noch klingt das Ganze nach Utopie

In seinem Aufsatz 'Die ökonomische Zukunft unserer Enkel' von 1930, beschrieb Ökonom John Maynard Keynes, wie das Arbeitsleben in 100 Jahren aussehen könnte. Er hatte die Vorstellung, dass die Menschen im Jahre 2030 mit einer 15-Stunden-Woche auskämen, da der technische Fortschritt die Arbeitnehmer entlasten würde.

Andere Experten sind weniger optimistisch, was das 4-Tage-Wochen-Modell angeht. "Ob das automatisch zu einer besseren Gesundheit führt, ist für mich sehr zweifelhaft", sagt Psychotherapeut Dr.Manfred Nelting. Erholung entsteht ja nicht durch Rumsitzen. Die hinzugewonnene Freizeit sollte genutzt werden, um Krankheiten wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten vorzubeugen - am besten durch Bewegung.

Noch klingt das Ganze mehr nach Utopie. Vielleicht auch, weil für die Umsetzung alle Beteiligten daran glauben müssen.

http://www.frauenzimmer.de/cms/work-life-balance-wissenschaftler-fordert-drei-tage-wochenende-2439609.html

Krankenstand, Papierberge, Alkohol: Wie können Arbeitgeber psychische Gefährdungen erkennen?

(07. September 2015) Seit Juni 2015 ist in Deutschland die novellierte Betriebssicherheitsverordnung in Kraft. Sie berücksichtigt erstmals auch psychische Belastungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln. Doch schon seit 2013 sind Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, regelmäßig psychische Gefährdungen für ihre Mitarbeiter im Unternehmen zu beurteilen und dies auch zu dokumentieren – gar nicht so einfach. Denn wie kann der Arbeitgeber psychische Belastungen erkennen? Die Interessenvereinigung Wenza Ewiv nennt die wichtigsten Hinweise.

Ob ein Mitarbeiter überlastet ist, ob er sich gestresst oder auch unterfordert fühlt, wird er in den wenigsten Fällen seinem Arbeitgeber direkt mitteilen. Vorgesetzte müssen deshalb genau hinschauen, um mögliche Gefährdungen und Belastungen erkennen und dokumentieren zu können. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, drohen Bußgeldzahlungen.

Krankenstand und Arztbesuche
Das einzige harte Indiz, um psychische Belastungen der Mitarbeiter aufzuspüren, ist der Krankenstand. Wenn die Zahl der Fehltage rasant ansteigt, sollten beim Arbeitgeber die Alarmglocken schrillen. Denn Krankheit ist nicht nur für die Betroffenen schlimm. Auch für das Unternehmen bedeuten die Fehlzeiten Einbußen – finanziell und im Arbeitsablauf. Dabei ist je nach Branche die durchschnittliche Anzahl von Fehltagen unterschiedlich: Im Verwaltungsbetrieb sind fünf Prozent bereits dramatisch, im gewerblichen Bereich sind diese hingegen noch vertretbar. Statistiken über den Krankenstand einzelner Branchen veröffentlichen die Krankenversicherungen regelmäßig. Auch wenn Mitarbeiter häufiger zum Arzt gehen als üblich, sollten Arbeitgeber aufmerksam werden.

Papierberge und Überstunden
Projekte, die nicht wie geplant zu Ende geführt werden, oder Papierberge, die sich auf dem Schreibtisch häufen, sind weitere deutliche Hinweise auf eine Überforderung des Mitarbeiters. Schafft er seine Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit und muss laufend Überstunden machen, könnte das an einer psychischen Überlastung liegen. Arbeitgeber sollten dann auch darauf achten, ob der Mitarbeiter angespannt wirkt. Kommt er regelmäßig müde zur Arbeit? Oder schafft er noch die Balance zwischen Anspannung und Entspannung?

Drogen und Alkohol
Häufig reagieren Menschen auf übermäßige Belastungen mit dem Konsum von Rauschmitteln und Drogen. Ein Warnsignal für psychische Gefährdungen ist es deshalb, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig viel Alkohol trinkt und verkatert zur Arbeit kommt. Aber auch starkes Rauchen kann ein Hinweis auf zunehmenden Stress sein.

Wenn der Arbeitgeber Anzeichen psychischer Überlastung erkennt, muss er sich fragen, ob die Ursache dafür im Unternehmen liegt. Risiken im Betrieb können zum Beispiel unattraktive Aufgaben, eine schlechte Arbeitsorganisation, schwierige soziale Bedingungen – wie Mobbing oder Konflikte mit dem Vorgesetzten – oder ein problematisch gestalteter Arbeitsplatz sein. Gefährdungen in diesen Bereichen müssen Arbeitgeber regelmäßig für jeden Mitarbeiter beurteilen und dokumentieren. Tun sie das nicht, können sie persönlich haftbar gemacht werden.

Maßnahmen, um die Gefährdungen zu reduzieren, sind zum Beispiel
· eine neue Aufgabenverteilung,
· veränderte Arbeitsprozesse,
· oder eine andere Gestaltung des Arbeitsplatzes.

Wenn soziale Konflikte bestehen, können Gespräche mit den Betroffenen, eine neue Zusammenstellung der Teams oder veränderte Dienstpläne helfen. „Je nach Einzelfall ist die Lösung unterschiedlich“, erklärt Kent Schwirz von der Wenza Ewiv. Die unabhängige Interessenvereinigung hilft Unternehmen unter anderem dabei, die gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz einzuhalten. „Der Gesetzgeber achtet aber genau darauf, ob Unternehmen Gefährdungen überhaupt erkennen, dokumentieren und Gegenmaßnahmen ergreifen.“

Sehr viel schwieriger ist es für Arbeitgeber, bei Belastungen zu helfen, die ihren Ursprung im Privaten haben. Trennungen, Krankheit oder finanzielle Probleme nehmen die Mitarbeiter oft so stark mit, dass auch ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt ist. „Coaching-Angebote für die Mitarbeiter haben sich als gute Möglichkeit erwiesen, um psychische Gefährdungen aufzuspüren und gleichzeitig Unterstützung zu liefern. Die klassische Mitarbeiterbefragung hingegen liefert meist ein verzerrtes Bild“, sagt Kent Schwirz. „Wenn Unternehmen zum Beispiel im Intranet oder auf einem speziellem Online-Portal Coachings und anonyme Beratung anbieten, kann das für die Mitarbeiter eine wichtige Anlaufstelle sein. Gleichzeitig beweisen Unternehmen damit, dass sie psychische Gefährdungen ernst nehmen und richtig darauf reagieren. Dazu liefern die Anfragen der Mitarbeiter wertvolle Hinweise – auch, wenn sie anonymisiert sind.“

www.wenza.de

Anonyme Online-Selbsthilfe bei Alkoholproblemen

(01. September 2015) Für alle, die ihren Alkoholkonsum reduzieren oder völlig beenden möchten, gibt es ein leicht zugängliches Online-Selbsthilfeprogramm. In Deutschland trinken über 15 Millionen Menschen* mehr Alkohol als von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitlich unbedenklich eingeschätzt wird: Für Männer gilt ein Maximum von zwei Gläsern und für Frauen ein Glas pro Tag. Darüber hinaus raten Suchtexperten an mindestens zwei Tagen pro Woche keinen Alkohol zu trinken, um einer Gewöhnung vorzubeugen.

Freie Wahl des Ziels
Die Betreiber des Online-Selbsthilfeprogramms möchten Betroffene erreichen, die trotz eines kritischen Alkoholkonsums bislang noch keine Hilfe gesucht haben. Anders als in der Behandlung, kann im Selbsthilfeprogramm ein eigenes Veränderungsziel gewählt werden: Betroffene, die bei der Teilnahme feststellen, dass eine Abhängigkeit vorliegt, erhalten Hinweise zur Behandlung und entsprechende weiterführende Links.

Behandlungslücke
Die Suchtexperten Dr. Johannes Lindenmeyer, Direktor der salus klinik Lindow, und Peter Missel, Präsidiumsmitglied des Wissenschaftsrates der AHG Allgemeinen Hospitalgesellschaft, haben große Erwartungen an das Programm: “In Deutschland gibt es eine riesige Behandlungslücke bei Alkoholproblemen, die wir mit diesem leicht zugänglichen Hilfsmittel überbrücken können. Aus gesundheitsökonomischen Gesichtpunkten ist hierbei entscheidend, dass das Online-Selbsthilfe Programm keine großen Kosten verursacht. Die Teilnehmer können ihren Alkoholkonsum gezielt verändern, bevor ernsthafte Probleme entstehen und teure Behandlungsverfahren erforderlich werden.“

Erfolgsmesser
Das Selbsthilfeprogramm gibt dem Benutzer mit Hilfe eines sogenannten „Erfolgsmessers“ ständig unmittelbare Rückmeldung, wie erfolgreich er bei der Veränderung seines Alkoholkonsums vorankommt. Er erhält Einsicht in seine typischen Trink- und Risikosituationen, lernt mit Verlangen nach Alkohol umzugehen und entwickelt Notfallpläne für Rückschläge. Innerhalb des Selbsthilfeprogramms gibt es ein anonymes Forum, in dem sich die Betroffenen gegenseitig um Rat fragen und/oder sich Unterstützung geben können. Zudem erhalten die Teilnehmer per E-Mail täglich Erinnerungen und wöchentlich eine Übersicht über ihre bisherigen Ergebnisse. Das Forum kann nach Ablauf der Programmteilnahme vorerst unlimitiert und kostenlos weiter genutzt werden.

Selbsttest
Bisher haben ca. 4.000 Menschen an diesem, von der WHO entwickelten, Selbsttest im Internet teilgenommen. Jeder Teilnehmer erhält eine persönliche Rückmeldung. Demnach könnten etwa 50 Prozent dieser Betroffenen von der Online-Selbsthilfe profitieren.

Kostenlos testen
Das Selbsthilfeprogramm kann eine Woche lang kostenlos getestet werden. Erst danach entscheidet der Nutzer, ob er am sechswöchigen Programm teilnehmen möchte. Dieses kostet einmalig 19,95 Euro - ungefähr soviel wie ein Selbsthilfebuch.

Dauerhaftes ModellDurch die Gebühren können die Betreiber den Teilnehmern von „Online Selbsthilfe“ bei Bedarf weitere technische und inhaltliche Unterstützung anbieten. Außerdem möchten sie damit in neue Entwicklungen und ständige Verbesserungen investieren.

Zusammenarbeit
Das Selbsthilfeprogramm wird unterstützt von der salus kliniken GmbH und der AHG Allgemeine Hospitalgesellschaft AG – in Zusammenarbeit mit den holländischen Entwicklern des Programms, dem renommierten Jellinek Institut für Suchthilfe (Teil der Arkin Holding B.V., Amsterdam), und der holländischen EDV-Firma Mas Outreach Projecten B.V.

Die Teilnahme erfolgt anonym über die Webseite www.selbsthilfealkohol.de.

*Quelle: http://www.dhs.de/datenfakten/alkohol.html

Doping im Job: Leistung um jeden Preis? Drogenbeauftragte der Bundesregierung besuchte Klinik Tönisstein

(31. August 2015)  Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, besuchte die AHG Klinik Tönisstein. Im Zentrum standen die aktuellen Themen „Doping im Beruf“ und „Lifestyledrogen“. Aktuellen Studien zufolge ist der Anteil der Berufstätigen, die zur Leistungssteigerung im Beruf Medikamente einnehmen, deutlich angestiegen.

Welchen Patienten ein Online-Therapeut helfen kann

(31. August 2015) Bei psychischen Störungen ist schnelle Hilfe gefragt. Doch die Wartezeiten bei den Therapeuten sind lang. In Deutschland wird jetzt überprüft, wann die Online-Psychotherapie eine Alternative bietet.

Von Sophie Rohrmeier

Hannes Bruehl* weiß, wie schwer der Alltag sein kann. Was für eine große Herausforderung es ist, den Computer einzuschalten. Aufzuschreiben, ob und was man am Tag geschafft hat. Und dann auf den "Senden"-Knopf zu clicken, damit der Therapeut die E-Mail bekommt. "Das ist nicht leicht, wenn man in einer depressiven Phase ist", sagt Bruehl.

Seine Depressionen kehren immer wieder, er hat Familie und Beruf, aber keinen Therapieplatz. Bis er einen der bundesweit raren Plätze in einem Modellprojekt ergattert – für Internettherapie. Das Angebot könnte möglicherweise sehr gut für die Patienten sein. Doch weil es bislang nur wenige Daten über diese Art der Therapie gibt, ist sie unter Experten noch umstritten.

Hannes Bruehls Krankheit bedeutet noch immer ein Stigma, deshalb möchte er seinen richtigen Namen auch nicht öffentlich machen. Aber er will auch etwas gegen die Depression tun. "Selbstbestimmung ist mir wichtig", sagt Hannes Bruehl. An Menschen wie ihn richtet sich das Angebot "net-step": Patienten mit Depression, sozialer Phobie oder Panikstörung. "Net-step" ist ein Experiment am St. Alexius-/ St. Josef-Krankenhaus in Neuss, das von einer wissenschaftlichen Studie begleitet wurde. Gerade erst ist sie abgeschlossen.

Erste Studienergebnisse sind positiv

"Meine Frau sagt, ich falle nicht mehr in so tiefe Löcher wie früher", sagt Bruehl. Die Therapie im Netz habe ihm geholfen, früher gegenzusteuern. "Sogar schwer depressive Patienten haben sich durch unsere Behandlung ganz deutlich verbessert", sagt Therapeut Ulrich Sprick. Er leitet das Ambulante Zentrum der Klinik, an der "net-step" umgesetzt wurde. Die Studie zeigt: Die Heilungschancen seien so gut wie bei einer Verhaltenstherapie von Angesicht zu Angesicht. Im Ausland liegen Sprick zufolge ganz ähnliche Ergebnisse vor.

Mehr als 100 Patienten haben dafür über das Internet eine kognitive Verhaltenstherapie durchlaufen. Dabei geht es darum, unangemessene Wahrnehmungen, Bewertungen und Gedanken, die zu Angst, Ärger und Depression führen, umzugestalten – ohne zu persönlichen Sitzungen zu gehen. Dennoch ist die Behandlung von einem Therapeuten geleitet.

Der Patient lernt seinen Betreuer zu Beginn einmal persönlich kennen, danach stehen sie über Nachrichten in Kontakt. Der Therapeut antwortet innerhalb von 24 Stunden. Das Angebot war der Krankenkasse AOK zufolge bundesweit das erste seiner Art.


Online-Kommunikation fällt vielen leichter

Die Vorteile der Internetpsychotherapie liegen für die Befürworter auf der Hand: Der Patient entscheidet, wann er mit dem Therapeuten in Kontakt ist und wie oft. Auf vorher festgelegte Termine braucht er nicht zu warten, in die Praxis muss er auch nicht. "Eine Patientengruppe, die man nicht vergessen darf, sind Menschen, die über Mails oder SMS Kontakt zu Therapeuten aufnehmen – und sofort klarstellen: Ich komme nicht in die Praxis – aus Scham oder Angst", sagt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Ernst Dietrich Munz. Für sie kann Onlinekommunikation ein Einstieg sein. Und: Im Netz muss der Therapeut nicht sofort antworten, sondern kann überlegen oder mit Kollegen beraten. Eben das ist einer der Gründe, warum der Psychoanalytiker Jürgen Hardt skeptisch ist: Die Hilfe, die der Patient online erhalte, sei nur vermeintlich optimal. "Die Patienten fühlen sich zwar besser verstanden. Die Hilfe kommt wie vom Himmel", sagt der frühere Vorsitzende der Landespsychotherapeutenkammer Hessen. Therapeuten könnten ihre eigene Überforderung verstecken. Fällt der ideale Therapeut weg, so befürchtet Hardt, kann der Patient nicht selbst eine Lösung finden.


Nicht alles lässt sich online therapieren

Über die Erfolge herrscht also Uneinigkeit. "Wir wollen doch gerade Dinge herausfinden, die sich die Person selbst nicht eingesteht", sagt Hardt. Bewusst Geschriebenes reiche nicht für eine Therapie. Depressionspatient Hannes Bruehl hat ähnliche Erfahrungen gemacht. "Bei mir gibt es offenbar Dinge, die tiefer liegen", sagt er. "Aber da ranzukommen, das hat die Internettherapie nicht hergegeben." Er wird auch noch eine Gesprächstherapie machen. Auch aus der Sicht von Onlinebefürworter Spricks kann die Psychotherapie im Netz das persönliche Gespräch nicht komplett ersetzen. Mimik und Gestik nimmt der Therapeut im reinen Mail-Verkehr nicht wahr, auch nicht den Tonfall. Oder das Schweigen. Ist ein Patient nahe dran, sich das Leben zu nehmen – der Therapeut kann es nur schwer erkennen. Computer als Hilfsmittel gegen seelische Störungen wirken auf die Psyche ein – analog zu Arzneimitteln, wie BPtK-Präsident Munz sagt. Doch wer trägt die Verantwortung für mögliche Nebenwirkungen, wenn kein Therapeut die Behandlung begleitet? Das ist ihm zufolge nicht klar.


Juristisch schwieriges Terrain

Auch die konventionelle Form erlaubt keine Kontrolle rund um die Uhr. Aber ohne unmittelbare Signale ist es schwieriger, rechtzeitig einzugreifen. Suizidgefährdete Patienten hat das Team um Sprick deshalb von vornherein ausgeschlossen. Verschlechterte sich der Zustand eines Patienten, konnte er in eine herkömmliche Therapie wechseln.

Manchmal geht gar nichts mehr

Persönlicher Kontakt zum Patienten ist auch eine Bedingung dafür, dass gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen. Onlinetherapie müssen sie nicht bezahlen, können es im Einzelfall aber. Bevor sich die Therapeuten gemeinsam dafür einsetzen, dass Therapien im Netz eine Regelleistung der Kassen werden, sind wohl auch technologische Probleme zu lösen. Sie haben mit der Berufsethik zu tun.

"Reine Internettherapie ohne jeden Kontakt wird nur sehr schwer mit den Berufsordnungen in Einklang zu bringen sein", sagt Martin Stellpflug, BPtK-Justiziar und Medizinrechtler. Ärzte und Therapeuten haben Sorgfaltspflicht. "Bei Onlinetherapien ist nicht gesichert, dass da etwa wirklich die Hausfrau, 40 Jahre, sitzt. Und nicht ein 12-Jähriger." Je weniger Kontakt besteht, desto schwieriger ist die Sorgfalt zu gewährleisten.

"Die Vertraulichkeit ist wegen der Digitalisierung nicht mehr gesichert", sagt Analytiker Hardt. Intime Geheimnisse seien so abhängig von der Digitalindustrie, die Daten vor Hackern nicht geschützt. Auch die gesetzlichen Kassen lehnen dem GKV-Spitzenverband zufolge die Anerkennung von Onlinevideokonferenzen mit Skype oder ähnlichem als psychotherapeutische Technik ab – "da derartige Übertragungswege und Plattformen keine Datensicherheit gewährleisten können".

Und der Patient? "Ich hatte absolut keine Bedenken", sagt Hannes Bruehl. Psychotherapeut Sprick verteidigt sein Modellprojekt "net-step" so gut er kann: Der Austausch laufe über einen passwortgeschützten Server in Deutschland, sagt er, so sicher wie Onlinebanking – und schränkt gleich wieder ein: "100-prozentige Sicherheit gibt es nicht."

*Name von der Redaktion geändert

http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article145789214/Welchen-Patienten-ein-Online-Therapeut-helfen-kann.html

Warum das Warten auf eine Psychotherapie in SH so lange dauert

(11. August 2015) Lange Wartelisten, kurze Bandansagen – wer eine Psychotherapie sucht, braucht starke Nerven. Doch wer eine braucht, hat genau diese meist nicht. Das Dilemma der „Volkskrankheiten“. Ein Beitrag on Mira Nagar, shz.de

 „Soll ich denn Selbstmord begehen, damit ein Therapie-Platz frei wird?“ Für die 29-jährige Anita W. (Namen aller Patienten geändert) brach nach einem Burnout nach und nach die Welt zusammen. Und es war ein langer Weg für sie, sich Hilfe zu holen. Erst nach Selbstmordversuchen drängten ihre Eltern sie dazu. Diese Zeit sieht sie im Nachhinein als „absolutes Gefühlschaos“. Schließlich haftet mehreren psychischen Erkrankungen – obwohl mittlerweile häufig als „Volkskrankheiten“ bezeichnet – immer noch der Makel der vermeintlichen Schwäche an.
Hanna F., die unter Panikattacken und depressiven Episoden leidet, fasst es in drastischen Worten zusammen: „Ich habe mir selber oft sogar Krebs gewünscht, weil das gesellschaftlich leichter zu verstehen ist. Einem Krebskranken macht niemand einen Vorwurf, dass er faul wäre oder dass er es sich leicht macht. Es ist so traurig.“  Die Mutter von Anita W. erklärte die Krankheit im Bekanntenkreis so: „Anita sitzt psychisch in einem Rollstuhl. Und es bringt nichts, wenn ihr ständig zu ihr sagt, nun lauf doch, steh endlich auf.“

Bei Notfällen: Wer eine akute Selbstmordgefahr sieht oder die Gefahr, andere zu verletzen, sollte eine Klinik aufzusuchen oder den Notruf 112 wählen. Dort erhalten Notfall-Patienten umgehende Hilfe. Die kostenlosen Hotline-Nummern der Telefonseelsorge lauten: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Die Hilfe ist anonym und unterliegt der Schweigepflicht. Tipps für die Suche nach einem Therapieplatz stehen am Ende dieses Artikels.

Wie viele Menschen sich mit unentdeckten Depressionen durchs Leben schleppen, kann höchstens gemutmaßt werden. Laut einer Bertelsmannstudie von 2014 erhalten drei von vier Patienten in Deutschland, die an einer schweren Depression erkrankt sind, keine angemessene Therapie. Laut dem „Faktencheck Gesundheit“ liegt die Quote der adäquaten Behandlungen in Schleswig-Holstein bei 27 Prozent und damit knapp über dem Bundesdurchschnitt von 26 Prozent.

Hinter den nüchternen Zahlen stehen Einzelschicksale, Menschen, die selbst versuchen, ihr Leben in den Griff zu kriegen und andere, deren eigener Kopf wie ein Gefängnis ist. Und Menschen, die es jahrelang kaum zur Arbeit schaffen, ihren Job verlieren, sich den Tod wünschen. Die Krankheitsbilder sind schwerer vergleichbar als die von Patienten für Meniskusoperationen. Doch eines haben sie gemeinsam: Der Schritt, sich Hilfe zu holen ist für die meisten ein schwieriger. Man sei „in einem Zustand, wo man eigentlich gar nicht in der Lage ist, sich um Hilfe zu kümmern“, sagt Anita W. Doch auch, wenn man den wichtigen Schritt wagt, sich zu öffnen: Auf Hilfe warten viele Erkrankte vergeblich.

Die Suche nach einem Therapieplatz ist langwierig und zermürbend. „Bisher habe ich mindestens sechs Mal die komplette Therapeutenliste der Krankenkasse durchtelefoniert und bekomme immer wieder eine Vertröstung oder Absage schon direkt am Telefon“, so eine Erkrankte.  Es ist eine Hängepartie, die im Großen und Ganzen darin besteht, eine Telefonliste möglicher Therapeuten abzutelefonieren. Oft landet man dann bei einer Bandansage, die die knappen Sprechzeiten preisgibt, so berichten Betroffene – und nach mehreren Anläufen schaffe man es schließlich auf eine oder mehrere Wartelisten.

Und wartet.

Psychisch kranke Menschen warten in Deutschland durchschnittlich 12,5 Wochen auf ein erstes Gespräch beim niedergelassenen Psychotherapeuten. Noch länger sind die Wartezeiten in ländlichen Kreisen (14,5 Wochen), so schätzt es die Bundespsychotherapeutenkammer in einem Bericht von 2013 ein. Doch damit hat man noch keine Therapie in der Tasche: Zunächst wird in einer oder mehreren Probesitzungen geprüft, ob Patient und Therapeut überhaupt zusammenpassen. Fachlich und persönlich.

Wie hoch die Chance eines Patienten auf eine angemessene Therapie ist, hängt nicht zuletzt vom Wohnort ab. So ist im Kreis Nordfriesland (18 Prozent) der Anteil der angemessenen Behandlungen nur etwa halb so hoch wie im Kreis Segeberg (34 Prozent), der den besten Wert in Schleswig-Holstein erzielt. Soweit die offiziellen Zahlen.

Die Berichte vieler Betroffener sehen anders aus: „Ich habe über ein Jahr nach einem Therapeuten gesucht. Ich habe sicherlich über 50 bis 60 Therapeuten abtelefoniert“, sagt Marina H. (Name geändert). „Bis nach Kiel und im Umkreis von 30 bis 50 Kilometern um meinen Wohnort in der Nähe von Schleswig und kam bei nicht mal der Hälfte auf die Warteliste.“

Imke Borcherding, die in der Brücke in Flensburg Menschen in seelischen Notlagen berät, sieht das als eine „desolate Situation“. Manche der Hilfesuchenden bräuchten einen Therapieplatz, weil die Brücke-Mitarbeiter nicht allein weiterhelfen können. Doch genau diese Menschen hätten auch oft eine geringere Frustrationstoleranz. Und so fühle es sich auch stets ein wenig bitter an, diesen zu sagen: „Holen Sie sich Hilfe – und haben Sie einen langen Atem.“ Mit einem halben Jahr Wartezeit müsse man rechnen. „Jemanden, der in einer Depression ist, reißt das noch weiter rein“, sagt Borcherding.

Für den Psychologen Jochen Waibel vom Stimmhaus in Hamburg hat das Problem mehrere Ursachen. Eine liege darin, dass viele Psychotherapeuten die Arbeit nicht suchen müssten. „Ich glaube nicht, dass es so gut ist, dass die Psychotherapeuten so satt und zufrieden sind“, sagt er. Die Arbeit gleiche dem öffentlichen Dienst. Diese besteht dann auch nicht nur aus der Behandlung von Patienten, sondern beispielsweise auch darin, psychologische Gutachten zu schreiben. Bei einer Vier-Tage-Woche bleibe dann auch nur Zeit für kurze „Sprechstunden“. Minimal muss ein Psychotherapeut für einen Kassensitz 20 Stunden in der Woche als Therapeut arbeiten.

„Der Bedarf ist ein rechnerischer“, sagt Waibel. Einige Therapeuten arbeiten nicht voll, vor allem wenn sie wegen der Kinder ihre Arbeitszeit zurückgeschraubt haben. Um aber den vollen Kassensitz, falls man wieder mehr arbeiten möchte, zu reservieren, würden sie dies der Kasse nicht melden. So entstehe eine Lücke: Es werden volle Stellen von der Krankenkasse gezählt, wo eigentlich nur Teilzeit-Therapeuten sitzen. Für die Krankenkassen ist der regionale Bedarf an Therapeuten damit abgedeckt. „Die Kassenärztliche Vereinigung sollte kontrollieren, ob Psychotherapeuten tatsächlich einen ganzen oder einen halben Kassensitz haben“, sagt Waibel.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist genau dies bereits geschehen. „Wir haben geschaut, ob die Zahl der Abrechnungen tatsächlich mit dem Kassensitz übereinstimmen“, sagt KV-Sprecher Marco Detlefsen. Rechtlich nichts daran auszusetzen, wenn ein Therapeut einen Sitz „besetze“, dennoch habe man die Psychotherapeuten angeschrieben, ob sie nicht einen Teil ihres Platzes räumen würden. Immerhin 20 halbe Kassensitze konnte man so freischaufeln.

Offizielle Zahlen sagen, dass es damit genügend Psychotherapeuten in Schleswig-Holstein gibt. Denn jeder Kreis und jede Stadt erfüllt mehr als 110 Prozent des ermittelten Bedarfs, sagt Detlefsen. Selbst Nordfriesland und Dithmarschen. Das bedeutet soviel wie: Auf dem Papier sind alle Vorgaben übererfüllt und bei der Bedarfsplanung wird der Bezirk gesperrt. Mehr könne die KV nicht tun, es sei eine politische Entscheidung, mehr Kassensitze einzuplanen.

Die Frage ist, woher dieser Bedarf kommt – und ob er nicht ohnehin höher ist, als die Planung vorgibt. Das Soll der Psychotherapeuten wurde 1999 im Gemeinsamen Bundesausschuss ermittelt. Es wurde die durchschnittliche Zahl der niedergelassenen Psychotherapeuten in den Städten und Kreisen errechnet und diese als Höchstgrenze festgesetzt. Dabei wurde auch das damals völlig unterversorgte Ostdeutschland mit einbezogen – und das zog den Durchschnitt herunter. Vor etwa zwei Jahren wurde der Wert ein wenig angepasst. Das bedeutete immerhin 28 neue Plätze in Schleswig-Holstein. Gut 700 Kassensitze für Psychotherapeuten kommen somit aktuell zusammen.

Doch neue Plätze zu schaffen, sei nicht so einfach. Es sei letztendlich auch eine Kostenfrage, sagt Marco Detlefsen von der KV. Das gesamte Gesundheitswesen arbeite mit begrenzten Mitteln. „Wir leben in einer budgetierten Welt“, sagt er. Wenn die Krankenkassen zusätzlich Geld für die Psychotherapie bereitstellen würden, würde dies dann beispielsweise bei den Orthopäden für ihre Meniskusoperationen fehlen. Letztendlich sei dies eine politische Entscheidung. Das Gesundheitsministerium verweist wieder zurück an die KV: Diese können von der Bedarfsplanungs-Richtlinie abweichen, „sofern dies aufgrund regionaler Besonderheiten für eine bedarfsgerechte Versorgung vor Ort nötig ist.“

Doch was bedeuten regionale Abweichungen, wenn das gesamte System flächendeckend unterversorgt ist? Stefanie Kohlhofer - eine der wenigen Patienten, die ihren echten Namen angeben mögen - hat ähnliche Erfahrungen sowohl in Flensburg als auch in Itzehoe gemacht. Seit sie 21 Jahre alt ist, leidet sie unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, verursacht durch jahrelange Vergewaltigung bekommen. „Mein Peiniger bekam im Gefängnis Hilfe, Therapien und alles“, sagt sie. „Ich selber stehe da als Opfer völlig alleine da und darf mir von Mitmenschen oft anhören, dass es ja SO schlimm nicht sein kann.“

So war sie jahrelang immer wieder auf der Suche nach Hilfe bei einem Therapeuten, sowohl in Flensburg als auch in Itzehoe. „Dort ist die Wartezeit im Schnitt mit sechs Monaten doch sehr lang, wenn man schnell Hilfe braucht. Und das ist immer der Fall. Denn grade bei psychischen Störungen wartet man oft solange ab, bis es kaum noch geht.“

Ein wenig Erleichterung könnte es aber bald geben: Seit Ende Juli gibt es ein sogenanntes Versorgungsstärkungsgesetz. Um die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern, wird der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, die Psychotherapie-Richtlinie noch einmal zu überarbeiten. Um Wartezeiten auf Facharzttermine zu verkürzen, müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen Terminservicestellen außerdem einrichten. Das ist zurzeit in Arbeit. Diese Stellen sollen Versicherten mit einer Überweisung innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt vermitteln. Ob das immer gelingt, bleibt anzuwarten.

http://www.shz.de/schleswig-holstein/panorama/warum-das-warten-auf-eine-psychotherapie-in-sh-so-lange-dauert-id10403726.html

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